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In aller Unschuld Thriller

In aller Unschuld Thriller

Titel: In aller Unschuld Thriller
Autoren: Tami Hoag
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und ihr Zuhause auf dem Bildschirm sehen.
    Sie wünschte sich, unbekannt zu sein, dass niemand irgendetwas von ihr wollte. Und am meisten wünschte sie sich, es gäbe jemanden, der ihre Bedürfnisse verstand.
    Ein Auto hielt vor dem Streifenwagen, und der Fahrer stieg aus. Kovac.
    Carey öffnete die Tür, bevor er den halben Weg zum Haus zurückgelegt hatte.
    »Das ist aber eine Überraschung«, sagte sie. »Ich dachte, Sie würden den versäumten Schlaf nachholen.«
    Er tat das mit einem Schulterzucken ab und trat ins Haus. »Aber nein. Schlaf wird völlig überbewertet. Und ich dachte, Sie würden woanders Unterschlupf suchen.«
    »Kate und John haben es mir angeboten, aber mir war nicht nach Gesellschaft zumute«, sagte sie. »Dann will ich aber auch wieder nicht allein sein. Und ich wollte Lucy kein Hotel zumuten …«
    Kovac musterte sie von Kopf bis Fuß. Zerzauste Haare, zerschundenes Gesicht, T-Shirt und eine rot karierte Pyjamahose. Sie kam ihm vor wie ein verwahrlostes Waisenkind.
    »Sie erwischen mich wirklich immer in meinen besten Momenten, Detective«, sagte sie trocken.
    »Haben Sie was gegessen?«, fragte er und gab sich gleich selbst die Antwort. »Nein, natürlich nicht. Warum sollten Sie auch was essen? Dann könnte sie ja vielleicht nicht mehr jeder Windstoß wegwehen. Ich hab was mitgebracht.«
    Er hielt eine Tüte in die Höhe und legte sie auf dem Tisch in der Diele ab, um seine Jacke auszuziehen.
    »Was ist da drin?«
    »Doughnuts«, sagte er mit dem für ihn typischen halben Lächeln. »Was sollte ein Cop sonst schon mitbringen?«
    »Bloß keine Klischees zerstören«, sagte Carey und lächelte ebenfalls.
    »Jemand muss doch die Tradition bewahren. Haben Sie Kaffee?«, fragte er, bereits auf dem Weg in die Küche.
    »Sie wissen ja, wo er ist.«
    Carey folgte ihm mit den Doughnuts. Sie sah ihm dabei zu, wie er alles zusammensuchte, was er brauchte, um Kaffee zu machen. Als die Maschine zu gurgeln und zu glucksen begann, drehte er sich zu ihr um.
    In Jeans und Pullover sah er anders aus. Jünger, dachte sie. Weniger so, als laste das Gewicht der ganzen Welt auf seinen Schultern.
    »Bobby Haas also«, sagte sie.
    »Ja, Bobby Haas.«
    Carey schüttelte den Kopf. »Wer würde glauben, dass der Junge fähig ist, Marlene Haas und den Kindern so etwas anzutun, wenn er ihn vor sich sieht? Das ist wie aus einem Horrorfilm. Mir wird schon bei der Vorstellung übel, dass er an so etwas auch nur gedacht hat.«
    »Was soll man dazu sagen?«, meinte Kovac mit einem Achselzucken. »Manche kommen so auf die Welt.«
    »Glauben Sie das wirklich? Dass jemand böse geboren wird, nicht dazu gemacht?«
    »Carey, ich habe die schlimmsten Dinge gesehen, die Menschen einander antun können«, sagte er. »Bobby Haas hat seine Opfer nicht vergewaltigt und gequält und verstümmelt, weil er mal in die Hose gemacht hat, als er zwölf war. Er hat diese Gedanken lange mit sich herumgetragen. Er hat seine Phantasien wie ein Messer geschärft, bis er sie hat wahr werden lassen.«
    »Und er wäre beinahe damit durchgekommen«, murmelte Carey. »Wissen Sie, wenn es zu einem Prozess gegen Karl Dahl gekommen wäre, dann wäre er verurteilt worden.«
    »Haben Sie geglaubt, dass er es getan hat?«, fragte Kovac. »Dahl?«
    »Ich sollte diese Frage eigentlich nicht beantworten«, sagte sie. »Aber ja. Ja, ich habe es geglaubt. Jeder hat es geglaubt.«
    »Trotzdem machte es den Eindruck, als würden Sie alles tun, um seinem Verteidiger zu helfen. Warum?«
    »Was, wenn er unschuldig gewesen wäre?«, sagte sie. »Und wie sich jetzt gezeigt hat, war er das ja auch.«
    »Ihren Job möchte ich nicht haben«, sagte Kovac. »Ich könnte das nicht. Ich könnte nicht unparteiisch sein.«
    »Deswegen sind Sie ja auch Polizist und ich nicht.«
    Er schenkte den Kaffee ein. Carey öffnete einen Schrank, nahm einen Teller heraus und legte die Doughnuts darauf. Diese Häuslichkeit hatte etwas Tröstliches für sie. Eine unkomplizierte, alltägliche Beschäftigung.
    »Wo ist Lucy?«, fragte Kovac.
    »Sie schläft im Wohnzimmer. Gehen wir zu ihr. Ich will nicht, dass sie aufwacht und ich nicht da bin.«
    »Wie kommt sie mit all dem zurecht?«, fragte Kovac mit gesenkter Stimme, als sie das Wohnzimmer betraten.
    Lucy hatte sich nicht vom Fleck gerührt, ebenso wenig ihr Daumen.
    »Ihre ganze Welt ist auf den Kopf gestellt … und es gibt nichts, was ich dagegen tun kann.«
    Carey schloss die Augen und hielt sich die Hand vor den Mund, bemüht, die
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