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Imperium

Imperium

Titel: Imperium
Autoren: Christian Kracht
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elektrische Strom geht aus, das Summen der Ventilatoren verstummt. Eine Granate, vom Schlachtschiff Richtung Rabaul abgefeuert, landet unter sirrendem Geheul vor einem der Hotels, dabei eine Palme zerfleddernd.
    Es folgt eine Art Invasion, deren Verlauf durchaus anarchisch zu nennen ist. Hühner und Schweine werden zusammengetrieben; Kunstwerke verschwindend geringen Werts werden requiriert und auf Schiffe getragen, um sie in australischen Museen auszustellen (sogar Hahls Reproduktion der Toteninsel); man verhaftet einen Soldaten aus Wagga Wagga, der eine eingeborene Frau vergewaltigt hat, und schickt ihn in Ketten ebenfalls nach Hause; Hoteldirektor Hellwig reibt sich die Hände ob der großen Anzahl grober Offiziere, die lärmend Waltzing Matilda singend seine Bar leer trinken; ein Paradiesvogel, der sich, vom Lärm aus dem Urwald getrieben, nach Rabaul hineinverirrt, wird lebendigen Leibes seiner Federn beraubt, Soldaten stekken sich die am Kielende noch blutigen Daunen an ihre Südwester, der nackte, vor Schmerz kreischende Vogel wird, nachdem man ihn auf den Namen Kaiser Wilhelm getauft hat, unter prustendem Gelächter wie ein Rugbyball hin und her gekickt; die sich in der Faktorei Forsayth befindenden Kisten mit dem lange ranzig gewordenen Kokosöl werden mit dem Brecheisen geöffnet, man vermutet ein cache Waffen, findet aber lediglich die in Holzwolle gebetteten, altjüngferlichen Flaschen, deren deutsche Beschriftung man nicht lesen kann, entkorkt sie in der Hoffnung auf Schnaps, riecht daran und schüttet nun den Inhalt unter theatralisch angewidertem Gesichtsausdruck und mit Zeigefinger und Daumen zugekniffenen Nasen hinab auf den sandigen Boden.
    Eine Abteilung australischer Soldaten landet schließlich auch auf Kabakon. Engelhardt, der ihnen unter dem Gelächter der Uniformierten nackt am Strande entgegentritt, wird stehenden Fußes enteignet, man händigt ihm die Summe von sechs Pfund Sterling für die verlotterte Plantage aus, es wird ihm freigestellt, nach Deutschland zurückzukehren. Sechs Pfund für dieses Leben. Er wirft den kümmerlichen Geldbetrag dem australischen Offizier vor die Füße, dreht sich auf der Ferse um und verschwindet im schattigen Urwald, keiner folgt ihm nach.
    Kapitän Slütter, der in diesen unübersichtlichen, merkwürdigen Tagen mit der Jeddah vor Samoa kreuzt, meldet sich beim Kapitän der SMS Cormoran, die ebenfalls in den warmen Gewässern des Südpazifiks abwartet; es fehlt an Kohle, kein Hafen ist mehr sicher anzulaufen, aber auf See können sie auch nicht bleiben, sie sind sitting ducks, wie der Angelsachse sagt. Die Besatzung der Cormoran hofft auf das baldige Eintreffen des großen deutschen Schlachtschiffes Scharnhorst, einstweilen wird Slütter, der sich und sein Schiff zur Verfügung gestellt hat, befohlen, einen unbewaffneten französischen Kohlefrachter zu kapern, die Ladung sicherzustellen und den Franzmann zu versenken.
    Und so wird die alte Jeddah zum Kriegsschiff. Man erlaubt ihr zwar nicht, die Farben der Kaiserlichen Marine zu hissen, aber Apirana, Slütter und November schaffen es tatsächlich, den Kohlefrachter zum Kentern zu bringen, indem sie am Bug der Jeddah eine Höllenmaschine befestigen, auf Kollisionskurs gehen und sich rechtzeitig mit dem winzigen Rettungsboot in Sicherheit bringen. Die schwarze Rauchsäule ist meilenweit zu sehen. So dümpeln sie rudernd dahin, zum verabredeten Treffpunkt mit der Cormoran, die nie erscheint. An ihrer Statt, es ist kaum auszuhalten, tauchen zwei australische Kriegsschiffe auf, man nimmt Slütter gefangen und landet auf einem namenlosen Eiland, um Wasser aufzunehmen. Slütter wird der Piraterie angeklagt, an eine Palme gestellt und erschossen. Er geht gefaßt, aber unrasiert, lehnt die Augenbinde ab, ein ebenfalls gefangener deutscher Seemann leiht ihm seine Uniformjacke, damit Slütter nicht in Zivil sterben muß. Als die Kugeln ihn durchdringen, erinnert er sich weder an Pandora, noch sieht er die auf ihn zielenden Soldaten, sondern lediglich den feierlichen und erschütternd unerbittlichen, tiefblauen Ozean. Man verteilt Zigaretten an das Erschießungskommando. Der Matrose bekommt die Jacke nach Vollstreckung des Urteils zurück und trägt sie mit erhobenem Haupt, die vier Löcher in Höhe des Herzens wird er niemals zunähen.
    Apirana, der den Soldaten durch eine List entkommt, meldet sich, nach langen Irrfahrten, die ihn über den unerschöpflich weiten Quilt des Pazifiks, dem Sternenfeld seiner Ahnen,
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