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Immer wieder samstags

Immer wieder samstags

Titel: Immer wieder samstags
Autoren: Don Both
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dass ich mich wieder der Gegenwart stellen musste. Genug mit dem Selbstmitleid und der Heulerei! Mich mit Tristan auseinanderzusetzen, würde mich genug fordern, um diese Erpressung für einen kurzen Moment halbwegs zu vergessen.
    Die Schluchzer ebbten ab und ich wischte mir die Tränenrückstände von den Wangen. Ein wenig kaltes Wasser und er dürfte nicht mitbekommen, dass ich geweint hatte, vorausgesetzt es interessierte ihn überhaupt. Schwerfällig erhob ich mich und verließ gerade das Klassenzimmer auf dem Weg zu den Waschräumen, als ich gegen eine harte, bekannte Brust stieß.
    »Ups!«, entkam ihm. Er packte mich an den Oberarmen, als ich taumelte und fast das
    Gleichgewicht verlor. Immer war er da, um mich aufzufangen. Gleichzeitig fühlte ich seinen eindringlichen Blick auf mir, während ich den Boden fixierte, in der verzweifelten Hoffnung, man würde mir die tiefgreifende Traurigkeit nicht ansehen. Ach, wem machte ich was vor? Das Glück ist eine Hure, die mich verlassen hat, dachte ich zynisch.
Natürlich bemerkte er meine noch immer geröteten Augen und mein nach dem Weinen grundsätzlich fleckiges Gesicht.
    »Wer war das?«, blaffte er mich an, und ich zuckte vor ihm zurück.
    »Wir müssen das Interview führen, dann muss ich nach Hause«, versuchte ich abzulenken und vermied es weiterhin, ihn anzusehen.
    Bestimmend entzog ich mich seinem Griff und wollte an ihm vorbei, aber sein langer, muskulöser Arm schoss nach vorne. Mich an die Wand drängend kesselte er mich ein, die Hände links und rechts meines Kopfes platziert, und lehnte seine Stirn an meine. Dieser Duft, seine Wärme, sein Körper an meinem und seine Nähe… Ich war wie berauscht und ein Seufzen entkam mir. Ohne es zu wollen, aber auch ohne die Chance, es zu verhindern, lud sich dieses Knistern, diese Energie zwischen uns auf. Gänsehautschauer rieselten meinen Rücken hinab – ich war völlig bewegungsunfähig.
    »Bist du wegen mir so fertig? Wegen Samstag?«, hauchte er mit rauer Stimme. Tristans Atem streichelte meine Haut wie seine Aufmerksamkeit meine Seele.
    Seine Anwesenheit benebelte meinen Verstand, aber tief in mir gab es jenen dunklen Punkt, der nicht von Tristan eingenommen wurde, jenen Punkt, der ohne Unterlass Evas Worte wiedergab, in Endlosschleife gefangen. Dieser abwertende, drohende Tonfall rüttelte mich wach, brachte mich dazu zu erkennen, wo wir uns befanden und wie verfänglich diese Situation womöglich auf Außenstehende wirkte.
    »Nein.« Ich schluckte hart und versuchte, ihn wegzustoßen, eine Distanz zwischen uns zu schaffen, die es mir ermöglichen würde, wieder logisch zu denken, aber er hielt mich mühelos an Ort und Stelle.
    »Hat dich irgendwer blöd angemacht, Mia? Bitte sag es mir! Ich will nicht, dass du wegen
    mir fertiggemacht wirst, okay? Egal, was mit uns ist. Ich werde verfickt nochmal nicht mehr
    zulassen, dass sie dir was tun!«
    Kurz wollte ich schwach werden, mich an ihn drängen, seinen Schutz annehmen und ihm alles sagen. Angefangen von meinen Gefühlen, wie sehr er mich verletzt hatte, ich ihn aber dennoch von ganzem Herzen liebte, dass alles trist und grau ohne ihn war, bis hin zu Evas Erpressung, die mein Leben noch schlimmer machen konnte, als es sowieso schon war. Aber nichts wollte meinen Mund verlassen. Rein gar nichts, außer …
    »Nein, Tristan …« Meine Beine nahmen die Konsistenz von Wackelpudding an und ich hatte die Befürchtung, dass sie jederzeit nachgeben könnten, denn er kannte mich gut und würde meine Lüge wahrscheinlich durchschauen.
    »Es war falsch, wie ich reagiert habe. Es war falsch, gleich aufzugeben. Es tut mir leid. Es tut mir so leid...«, wechselte er abrupt das Thema und klang ganz heiser. »Alles ... außer das hier.« Langsam beugte er sein wunderschönes Gesicht zu mir hinunter, strich mit seiner Nasenspitze über meine, und ich badete in seinem heißen Atem, der mich einhüllte, mir Frieden schenkte, bis er mit seinen Lippen hauchzart, fast schon fragend, über meine glitt. Ab dem Moment lief ich auf Autopilot. Alles war vergessen, und ich hob meine Hände, krallte mich in sein graues Shirt und zog ihn an mich. Zu sehr hatte ich mich nach seiner Nähe gesehnt … Ich wollte sie auskosten, wenigstens noch ein einziges Mal. Es war nur eine Ausnahme, ein letzter Kuss zum Entwöhnen. Leider, oder vielmehr Gott sei Dank, kam ich wieder ins Jetzt und Hier, erfasste das Verbotene an unserem Kontakt und schob ihn kraftvoll von mir, um anschließend sofort
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