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Immer dieser Knasterbax

Immer dieser Knasterbax

Titel: Immer dieser Knasterbax
Autoren: Werner Schrader
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weiter!“ bat die Dame mit
dem Schleierhut. „Man soll mit Geistern keinen Schabernack treiben. Ich habe
darüber schon die merkwürdigsten Geschichten gelesen. Das ist ja unheimlich!“
    Zwei Jungen, ein blonder und
ein schwarzer, schwankten noch in ihrer Einstellung zu dem Geschehen. Sie
wußten nicht, ob sie das Ganze für Spuk oder ein Geisterspiel von Menschenhand
halten sollten. Natürlich mochten sie voreinander nicht als Hasenfuß gelten und
taten darum sehr mutig und unerschrocken. Ja, der Blonde trat nahe an die
Brustwehr heran und beugte sich über die Mauer, um zu sehen, wer da herauf
komme.
    Knasterbax, eine mit
Leuchtfarbe angestrichene Maske vor dem Gesicht, hatte inzwischen eine Leiter
an die Mauer gestellt und sie schon zu drei Vierteln erklettert. Als der Junge
durch die Schießscharte blickte, wandte er ihm sein Gesicht zu, das durch die
Leuchtfarbe wirkte wie das augenlose Gesicht eines Totenschädels. Erschrocken
fuhr der Junge zurück.

    „Er ist gleich oben!“ schrie
er. „Wir müssen hier weg!“
    Zwei Damen kreischten auf, ein
Herr verbrannte sich die Finger an seiner Zigarette.
    „Rasch!“ flüsterte der
Burgführer. „Dort führt eine Treppe hinunter.“
    Als alle wieder im Burghof
versammelt waren, erzählte er ihnen, daß Reginhard der Schreckliche aus dem Osten, gekommen sei und die Sprache des Landes nie
richtig gelernt habe. Auch seine beiden Söhne, Friedrich, der Brudermörder, und
Gunthard, hätten zeit ihres Lebens sehr fehlerhaft gesprochen. Sie seien eben
nur brutale Räuber gewesen und hätten für Kultur und Sitte nicht viel übrig
gehabt. „Bitte, folgen Sie mir jetzt in die Waffenkammer!“
    Er öffnete eine schwere Tür und
trat als erster ein. Der Raum, in dem sich die Besucher nun befanden, wurde
durch eine schwache elektrische Glühbirne in Kerzenform nur wenig erhellt und
wirkte darum düster und unheimlich.
    Furchtsam betrachteten die
Besucher die Säbel, Schwerter, Lanzen und Hellebarden, die an den Wänden hingen
oder in eisernen Körben standen, und sie warfen argwöhnische Blicke auf die
beiden Eisenrüstungen in der Ecke.
    „Es gibt Vorgänge auf der
Burg“, erzählte der Führer, „die sich die Wissenschaft noch nicht erklären
kann. In dieser Kammer bewegen sich Schwerter, fallen Lanzen von den Wänden und
tanzen Rüstungen herum, als ob jemand darin stecke. Professor Hiebefest , der wochenlang hier gewohnt und die rätselhaften
Vorkommnisse genau erforscht hat, ist zu dem Schluß gekommen, daß die beiden
Zwillingsbrüder zur Unsterblichkeit verdammt seien und immer wieder aufs neue Gestalt annähmen. Menschen mit einem feinen
Einfühlungsvermögen, so meint der Professor, senden Ströme aus, elektrische und
magnetische, die den Brüdern und auch den Geräten gewissermaßen als Treibstoff
dienen, den sie brauchen, um ihren grauenhaften Spuk treiben zu können. Darum
könnten stumpfe und unempfindliche Menschen tagelang durch die Burg gehen, ohne irgend etwas Geisterhaftes zu erleben. Jemand von
Ihnen aber, meine Damen und Herren, muß besonders stark elektrisch aufgeladen
sein, weil…“
    „Da!“ flüsterte der
schwarzhaarige Junge. „Da!“ Er zeigte zitternd auf eine der Rüstungen in der
Ecke. Die andern Besucher wandten ihren Blick in die angegebene Richtung und
sahen nun ebenfalls, was er als erster wahrgenommen hatte: die Rüstung
marschierte langsam auf die Gruppe zu, die Arme tastend nach vorne gestreckt,
als wolle sie vermeiden, mit dem Kopf gegen eine Wand zu stoßen. Dabei
schnarrte und klapperte sie rostig mit allen ihren Gelenken. Erschrocken
klammerten sich die Damen an ihre Herren, und die Jungen suchten die Hand ihres
Vaters.
    „Es ist besser, wenn wir die
Waffenkammer wieder verlassen“, wisperte der Burgführer und schien selbst ein
wenig zu zittern. „Die Rüstung ist manchmal sehr angriffslustig. Kommen Sie,
hier geht es in den Kaminsaal!“ Und schon hastete er den Besuchern voran auf
eine dunkle Tür zu. Kurz bevor er sie erreichte, krachten die beiden
Hellebarden, die links und rechts neben den Türpfosten gestanden hatten, zu
Boden, als wollten sie ihn erschlagen. Entsetzt prallte er zurück.
    „Diese Tür geben sie heute
nicht frei“, sagte er leise. „Wir müssen die andere nehmen. Schnell! Und
bleiben Sie um Ihrer eigenen Sicherheit willen nahe beieinander, eine Gruppe
ist nicht so gefährdet wie ein einzelner.“
    Er durcheilte den dämmerigen
Raum, öffnete eine schmale Tür in der Tapete und trat in den
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