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Im Zweifel suedwaerts

Im Zweifel suedwaerts

Titel: Im Zweifel suedwaerts
Autoren: Katarina Fischer
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angetrunken ins Bett. Der Mond schien in das Schlafzimmer, der Wind raschelte in den Bäumen vor dem geöffneten Fenster. Ich ließ mir die Neuigkeiten des Abends noch einmal durch den Kopf gehen, und plötzlich meldete sich in meinem beschwipsten Kopf eine kleine Erinnerung, der ich bisher gar nicht viel Bedeutung beigemessen hatte. Jetzt ließ sie mich nicht mehr los. Irgendwann drehte ich mich im Dunkeln zu Richard um, der bereits die Augen geschlossen hatte und zu gleichmäßig atmete, um noch hellwach zu sein.
    »Du? Richard?«, flüsterte ich.
    Er öffnete mühevoll ein Auge und murmelte etwas, das keinen Sinn ergab.
    Ich stupste ihn in die Seite. »Bitte. Ich muss dich was fragen.«
    »Was denn?« Er seufzte verschlafen und rubbelte sich mit der Hand über das Gesicht.
    »Erinnerst du dich noch an die Hochzeit von meiner Mutter?«
    »Wie könnte ich die jemals vergessen?«, gähnte er.
    »Und was Joe dich gefragt hat? Und was du gesagt hast?«
    Er sah mich forschend an. »Worauf willst du hinaus?«
    »Hast du mir da eigentlich indirekt einen Heiratsantrag gemacht?«
    »Indirekt, ja.« Es schien ihn zu amüsieren, dass ich so lange gebraucht hatte, um das zu verstehen. »Könnte man so sagen.«
    »Ich hab darauf nie reagiert.«
    »Nee. Hast du nicht.«
    »Soll ich darauf jetzt irgendwie reagieren?«
    »Bloß nicht!« Er griff nach meiner Hand und drückte sie schläfrig. »Wenn ich dir einen echten, direkten Antrag mache, Daphne Weiland, dann merkst du es sofort, darauf kannst du dich verlassen.«
    Ich musste lachen. »Okay. Gut. Ich freu mich drauf.«
    »Und ich hoffe stark, wenn es so weit ist, bist du bereit, eine Ausnahme zu machen, was das damit verbundenen ›Für immer‹ betrifft.«
    »Ich denk darüber nach«, sagte ich, und gab »dem Richtigen« einen Kuss.

EPILOG
    Die Rückkehr des Club Remédio Santo
    DAPHNES MIXTAPE
    Supertramp – Take The Long Way Home
    Und damit hatte sich dann der Kreis geschlossen. Die Geschichte begann mit einer Hochzeit, und sie endete mit einer Hochzeit. Fast. Lucy und Hannes wollten sich mit ihrem Gang zum Traualtar ein bisschen Zeit lassen, allein schon deswegen, weil Lucy so exquisite Wünsche für ihren großen Tag hatte, dass erst einmal Geld angespart werden musste, damit wenigstens ein Drittel davon erfüllt werden konnte. Aber sie tröstete sich damit, dass sie sich auf diese Weise noch eine Weile als seine Verlobte vorstellen konnte, ein Status, den man ja auch nicht allzu lang innehat – wenn man das mal auf die Gesamtlebenszeit rechnet.
    Der Spätsommer wehrte sich mit aller Kraft gegen seinen schlechten Ruf und bescherte uns noch einige unerwartet sonnige Tage mit Temperaturen um die fünfundzwanzig Grad, und ja, für Hamburger Verhältnisse war das exorbitant gut. Keiner hatte damit gerechnet, und so waren Richard und ich auch nur geringfügig motiviert, als wir am Wochenende nach der großen Verlobungsverkündung in unserem Wohnzimmer den Kleister anrührten, um endlich diese Tapeten an die Wand zu bringen. Der letzte Schritt zur Vervollkommnung unseres Zuhauses. Wobei ich im Geheimen bereits mit dem Gedanken spielte, die graue Wand in der Küche durch eine grüne zu ersetzen, aber darüber hatte ich noch nicht mit Richard gesprochen und wollte es auch nicht tun, bis das Wohnzimmer fertig war.
    Ich öffnete das Fenster zur Straße, damit wir das gute Wetter zumindest theoretisch genießen konnten, und begann seufzend damit, die Bahnen abzumessen. Im Hafen ertönte ein Schiffshorn. »Wenn wir schnell machen, können wir vielleicht noch den Nachmittag am Elbstrand verbringen. Oder so.«
    Richard sah nicht so aus, als hätte er große Hoffnung, dass es dazu kommen würde. »Hast du schon einmal tapeziert?«
    »Nee, ich hab immer nur gestrichen.«
    »Tja, und ich kenn mich damit auch nicht aus. Schnell können wir also vergessen, befürchte ich.«
    »Sag doch so was nicht!« Ich holte gerade Luft, um zu einer kleinen Ansprache anzusetzen, mit der ich ihn und mich selbst vom Gegenteil überzeugen wollte, als mein Handy klingelte. Am anderen Ende der Leitung: meine Mutter. Es kostete mich etwas Überwindung, ranzugehen, denn ich hatte seit unserem Telefonat vor Lucys Wohnung nicht wieder mit ihr gesprochen. Mein schlechtes Gewissen wog schwer.
    »Kind, wann kommst du denn endlich von deiner Reise wieder?«
    Und schwerer. »Ich bin schon seit über einer Woche wieder hier«, antwortete ich zerknirscht. Teilweise war ich wirklich zu sehr abgelenkt gewesen, um an
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