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Im Zeichen des weißen Delfins (German Edition)

Im Zeichen des weißen Delfins (German Edition)

Titel: Im Zeichen des weißen Delfins (German Edition)
Autoren: Gill Lewis
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hinaus. Ich habe keine Zeit, Jake etwas entgegenzubrüllen. Der Wind bläst in die andere Seite des Segels und drängt es über das Boot hinaus. Der Auslegerbaum schwingt über Deck – ein verschwommenes Rauschen in der Luft – und ich weiß, dass Jake keine Chance hat. Jake fliegt rückwärts in hohem Bogen übers Wasser. Als er in die schäumende See eintaucht, schlägt er wild mit den Armen um sich, bevor er von den Wellenbergen verschlungen wird.
    »Jake!«, kreische ich.
    Auch Felix hat das Geschehen verfolgt. Er steuert hinter dem Riff, nahe an den Klippen, auf die Moana zu. Das Meer ist ein einziger Wirbel aus Wellen und wir werden von perlmuttweißer Gischt überflutet. Die Jolle schlingert von einer Seite zur anderen und die Segel klatschen fast aufs Wasser.
    Ich wische mir das nasse Haar aus dem Gesicht und halte nach Jake Ausschau. Ich klammere mich an den Mast und knie mich hin, damit ich besser sehen kann. »Er ist verschwunden!«, brülle ich. »Er ist verschwunden!«
    »Wir müssen hier weg!«, schreit Felix.
    Wir sind zu nahe an den Klippen. Wenn das Kielschwert unter uns bricht, haben wir keine Chance. Ich lehne mich nach draußen, um die Jolle im Gleichgewicht zu halten, während Felix das Boot in Richtung Ethan und Moana bugsiert. Ich schaue noch einmal zurück auf den Gull Rock. Ich will aus diesem Albtraum erwachen und kann nicht glauben, dass Jake untergegangen ist.
    Dann sehe ich plötzlich seinen Kopf auftauchen. Jake klatscht mit den Armen aufs Wasser, bis ihn die Wellen überrollen und er noch einmal verschwindet.
    »Dort ist er!«, schreie ich. Die Wellen wachsen sich zu wahren Wellengebirgen aus und ergießen sich über die Felsen. Jakes Kopf erscheint wieder über Wasser. Jake greift in die Luft und geht erneut unter.
    »Ich seh ihn!«, brüllt Felix.
    Er schwenkt das Boot in Richtung Jake. Wir gleiten im Sprühnebel hinunter in ein tiefes Wellental und werden auf der anderen Seite wieder emporgehoben. Ich sehe runter ins Wasser. Jake treibt jetzt unter uns, mit aufgeblähtem Hemd und ausgebreiteten Armen, als würde er unter Wasser fliegen.
    Er driftet auf uns zu. Ich strecke den Arm nach ihm aus und kann ihn beim Hemd packen, da rollt eine Welle hoch und wir fallen kopfüber, kopfunter zusammen ins Boot. Einen kurzen Augenblick lang glaube ich, ich hätte unter den Wellen etwas weiß aufblitzen sehen, etwas, das unter Jake schwamm und ihn nach oben hievte. Ich schaue noch einmal ins Wasser, aber ich sehe nichts als weiße Gischtstrudel.
    »Lass uns von hier abhauen!«, brüllt Felix.
    Über Moanas Deck schwappt noch eine Welle. Ethan klammert sich an den Mast. Der Himmel ist wolkenschwarz, nirgendwo ein Horizont in Sicht. Himmel und Meer sind eins. Felix legt die Jolle an der Seeseite der Moana an. Ich helfe Jake in die Rettungsweste. Er ist mehr tot als lebendig. Blut sickert ihm durchs Haar und über die Stirn. Ich nehme die zweite Rettungsweste und klettere hinüber auf die Moana , zu Ethan.
    »Fahr zurück zur Küste!«, brülle ich Felix zu. »Bring Jake an Land. Ich komme mit Ethan auf der Moana !«
    Eine Woge erfasst uns und lässt die beiden Boote aneinanderkrachen. Ich gebe der Jolle einen Stoß.
    »Fahr los!«, brülle ich.
    Felix schiebt den Hauptsteuerknüppel der Jolle nach vorne und segelt mit dem Wind davon, Richtung Hafen. Eine Windbö jagt übers Meer und fährt mir in den Rücken. Felix und Jake verschwinden derweil hinter dem undurchdringlichen Regenvorhang.
    Mir ist übel und ich fühle mich niedergeschlagen. Ich weiß nicht, ob ich sie jemals wiedersehe.

Kapitel 36
    »Kara!«
    Ethan stolpert zu mir herüber und klammert sich an meinen Arm. Sein Gesicht ist weiß, der ganze Körper zittert. Er zieht die Rettungsweste über und fummelt an den Schnallen herum.
    Die Moana schaukelt über die Wellen, rauf und runter. Sie hat tüchtig Wasser gefasst und neigt sich stark zur Seite. Als sich eine weitere Welle übers Boot ergießt, rutschen und taumeln Ethan und ich, von der Gischt umspült, ineinander.
    Nackte Angst macht sich in mir breit. Ich muss nachdenken. Ich versuche nachzudenken.
    Taue und Segeltuch liegen über dem Vordeck verstreut und hängen ins Wasser. Jetzt wird mir klar, warum die Moana Schlagseite hat. Jake und Ethan haben das Ballonsegel gelöst. Nun windet es sich unter Wasser wie ein Fallschirm und zieht uns auf die Klippen zu.
    »Hilf mir mal hier!«, brülle ich. Aber Ethan bewegt sich nicht. Er steht nur starr da und klammert sich an den Mast, als
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