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Im Zeichen der Sechs

Im Zeichen der Sechs

Titel: Im Zeichen der Sechs
Autoren: Mark Frost
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innerhalb des letzten Jahres nach Cherbourg gereist sind, nach Paris, Genf, Davos, Marienbad, wieder nach London, einmal nach Edinburgh und zweimal nach Dublin. Habe ich nicht recht, Sir?«
    Doyle mußte zugeben, daß er recht hatte.
    »Und wollen Sie, daß ich Ihnen verrate, wie ich zu dieser Schlußfolgerung gelangt bin, Sir?«
    Doyle sah sich genötigt, zuzugeben, daß er es wollte.
    »Ich habe mir die Aufkleber an Ihrem Gepäck angeschaut.«
    Werner zwinkerte, ließ seinen kleinen blonden Schnurrbart zucken, salutierte zackig und huschte geschmeidig den Gang hinunter. Doyle hatte gerade angefangen auszupacken, als Innes in die Kabine gestürmt kam und sich am Türrahmen den Derby vom Kopf stieß.
    »Tolle Neuigkeiten«, verkündete Innes und hob seinen Hut wieder auf. »Ich habe jemanden gefunden, der uns eine ungeheure Hilfe sein wird, wenn wir in New York ankommen.«
    »Und wer wäre das, Innes?«
    »Er hat mir seine Karte gegeben – hier.« Er zog sie hervor. »Sein Name ist Nels Pingle.«
    »Pingle?«
    »Ein Reporter der New York Post. Du wirst den Burschen höchst amüsant finden, Arthur. Er ist das, was man als ›Original‹ bezeichnen würde –«
    »Zeig mal her«, sagte Doyle und nahm die Karte.
    »Und ein höchst liebenswürdiger Knabe. Anscheinend ist er mit praktisch jedem bekannt, der in den Vereinigten Staaten irgend etwas darstellt –«
    »Und was hat Mr. Pingle von dir gewollt?«
    »Nichts. Er hat uns eingeladen, heute abend mit ihm zu speisen –«
    »Du hast selbstverständlich nicht angenommen.«
    »Ich dachte, es kann nicht schaden –«
    »Innes, hör gut zu: Von diesem Augenblick an wirst du es in keinster Weise mehr unternehmen, dich diesem Mann zu nähern, mit ihm zu sprechen oder ihn in seinen Avancen zu ermutigen.«
    »Ich sehe nicht ein, warum nicht. Er ist ein durchaus sympathischer Bursche –«
    »Dieser Mann ist kein Bursche, kein Knabe und auch sonst keine normale Person; er ist ein Journalist und als solcher eine gänzlich andere Spezies –«
    »Also nimmst du unverzüglich an, er könne meine Freundschaft nur suchen, um leichter an dich heranzukommen. Ist es das?«
    »Wenn er der Mann ist, für den ich ihn halte, dann kannst du versichert sein, daß er nicht das leiseste Interesse an deiner Freundschaft oder auch nur an einer flüchtigen Bekanntschaft mit dir hat –«
    Zwei kleine rote Flecke erschienen auf Innes’ Wangen, und seine Pupillen wurden winzig wie Stecknadelköpfe -
    o Gott, dachte Doyle, wie oft habe ich diese zuverlässigen Warnzeichen des Unheils schon gesehen.
    »Du willst also damit sagen, es ist lächerlich, wenn ich annehme, daß irgend jemand an mir allein als menschlichem Wesen ein echtes Interesse aufbringen könnte –«
    »Innes, bitte, das will ich überhaupt nicht sagen –«
    »Ach nein?«
    »Es herrschen andere Regeln für den gesellschaftlichen Verkehr an Bord eines Schiffes. Dieser Pingle oder Pinkus, oder wie er sonst noch heißen mag, hat mich bereits einmal angesprochen. Zeige ihm jetzt, noch bevor das Ufer außer Sicht ist, nur die geringste Ermunterung, und der Mann wird für den Rest der Seereise an unseren Rockzipfeln hängen.«
    »Willst du wissen, was ich glaube?« fragte Innes; er wippte auf den Zehen, und seine Stimme wurde beunruhigend schrill. »Ich glaube, du hast zu viele von deinen Zeitungsausschnitten gelesen. Ich glaube, du hältst dich für besser als andere Leute. Ich bin vierundzwanzig Jahre alt, Arthur, und vielleicht war ich bis jetzt noch nie auf einem Schiff, aber das bedeutet nicht, daß ich meine Manieren vergessen habe; ich werde reden und speisen, mit wem es mir paßt.«
    Um die Wucht seines Ausbruchs mit einem dramatischen Abgang zu unterstreichen, wandte Innes sich ab und riß die Tür zum Wandschrank auf. Zu seiner Ehre ist zu sagen, daß er die Fassung behielt und den Inhalt des Schranks einer kurzen Inspektion unterzog, als sei dies seine ursprüngliche Absicht gewesen; dann knallte er die Tür mit zufriedenem Grunzen zu und rauschte zur Kabine hinaus, wobei er sich, um das Maß vollzumachen, noch einmal am Türrahmen den Hut vom Kopf stieß.
    Fünf Monate ohne Larry, dachte Doyle: Gütiger Himmel, ich werde es niemals schaffen, lebend nach England zurückzukommen .
    An diesem Abend speiste Doyle am Tisch des Kapitäns Karl Heinz Hoffner ohne die Gesellschaft seines jüngeren Bruders, der seine erste Mahlzeit an Bord am Ende des eleganten Saales zusammen mit Ira Pinkus/Nels Pingle und den anderen vier
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