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Im Westen Nichts Neues

Im Westen Nichts Neues

Titel: Im Westen Nichts Neues
Autoren: Erich Maria Remarque
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näher, barfuß, die Hosen aufgekrempelt. Er legt seine gewaschenen Socken zum Trocknen aufs Gras. Kat sieht in den Himmel, läßt einen kräftigen Laut hören und sagt versonnen dazu: »Jedes Böhnchen gibt ein Tönchen.«
    Die beiden fangen an zu disputieren. Gleichzeitig wetten sie um eine Flasche Bier auf einen Fliegerkampf, der sich über uns abspielt.
    Kat läßt sich nicht von seiner Meinung abbringen, die er als altes Frontschwein wieder in Reimen von sich gibt: »Gleiche Löhnung, gleiches Essen, war’ der Krieg schon längst vergessen.« – Kropp dagegen ist ein Denker. Er schlägt vor, eine Kriegserklärung solle eine Art Volksfest werden mit Eintrittskarten und Musik wie bei Stiergefechten. Dann müßten in der Arena die Minister und Generäle der beiden Länder in Badehosen, mit Knüppeln bewaffnet, aufeinander losgehen. Wer übrigbliebe, dessen Land hätte gesiegt. Das wäre einfacher und besser als hier, wo die falschen Leute sich bekämpfen. Der Vorschlag gefällt. Dann gleitet das Gespräch auf den Kasernendrill über.
    Mir fällt dabei ein Bild ein. Glühender Mittag auf dem Kasernenhof. Die Hitze steht über dem Platz. Die Kasernen wirken wie ausgestorben. Alles schläft. Man hört nur Trommler üben, irgendwo haben sie sich aufgestellt und üben, ungeschickt, eintönig, stumpfsinnig. Welch ein Dreiklang: Mittagshitze, Kasernenhof und Trommelüben! Die Fenster der Kaserne sind leer und dunkel. Aus einigen hängen trocknende Drillichhosen. Man sieht sehnsüchtig hinüber. Die Stuben sind kühl. – Oh, ihr dunklen, muffigen Korporalschaftsstuben mit den eisernen Bettgestellen, den gewürfelten Betten, den Spindschränken und den Schemeln davor! Selbst ihr könnt das Ziel von Wünschen werden; hier draußen seid ihr sogar ein sagenhafter Abglanz von Heimat, ihr Gelasse voll Dunst von abgestandenen Speisen, Schlaf, Rauch und Kleidern!
    Katczinsky beschreibt sie mit Farbenpracht und großer Bewegung. Was würden wir geben, wenn wir zu ihnen zurück könnten! Denn weiter wagen sich unsre Gedanken schon gar nicht – Ihr Instruktionsstunden in der Morgenfrühe – »Worin zerfällt das Gewehr 98?« – ihr Turnstunden am Nachmittag – »Klavierspieler vortreten. Rechts heraus. Meldet euch in der Küche zum Kartoffelschälen« – Wir schwelgen in Erinnerungen. Kropp lacht plötzlich und sagt: »In Löhne umsteigen.«
    Das war das liebste Spiel unseres Korporals. Löhne ist ein Umsteigebahnhof. Damit unsre Urlauber sich dort nicht verlaufen sollten, übte Himmelstoß das Umsteigen mit uns in der Kasernenstube. Wir sollten lernen, daß man in Löhne durch eine Unterführung zum Anschlußzug gelangte. Die Betten stellten die Unterführung dar, und jeder baute sich links davon auf. Dann kam das Kommando: »In Löhne umsteigen!«, und wie der Blitz kroch alles unter den Betten hindurch auf die andere Seite. Das haben wir stundenlang geübt. – Inzwischen ist das deutsche Flugzeug abgeschossen worden. Wie ein Komet stürzt es in einer Rauchfahne abwärts. Kropp hat dadurch eine Flasche Bier verloren und zählt mißmutig sein Geld.
    »Der Himmelstoß ist als Briefträger sicher ein bescheidener Mann«, sagte ich, nachdem sich Alberts Enttäuschung gelegt hat, »wie mag es nur kommen, daß er als Unteroffizier ein solcher Schinder ist?«
    Die Frage macht Kropp wieder mobil. »Das ist nicht nur Himmelstoß allein, das sind sehr viele. Sowie sie Tressen oder einen Säbel haben, werden sie andere Menschen, als ob sie Beton gefressen hätten.«
    »Das macht die Uniform«, vermute ich.
    »So ungefähr«, sagt Kat und setzt sich zu einer großen Rede zurecht, »aber der Grund liegt anderswo. Sieh mal, wenn du einen Hund zum Kartoffelfressen abrichtest und du legst ihm dann nachher ein Stück Fleisch hin, so wird er trotzdem danach schnappen, weil das in seiner Natur liegt. Und wenn du einem Menschen ein Stückchen Macht gibst, dann geht es ihm ebenso; er schnappt danach. Das kommt ganz von selber, denn der Mensch ist an und für sich zunächst einmal ein Biest, und dann erst ist vielleicht noch, wie bei einer Schmalzstulle, etwas Anständigkeit draufgeschmiert. Der Kommiß besteht nun darin, daß immer einer über den andern Macht hat. Das Schlimme ist nur, daß jeder viel zuviel Macht hat; ein Unteroffizier kann einen Gemeinen, ein Leutnant einen Unteroffizier, ein Hauptmann einen Leutnant derartig zwiebeln, daß er verrückt wird. Und weil er das weiß, deshalb gewöhnt er es sich gleich schon etwas an. Nimm nur
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