Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Westen Nichts Neues

Im Westen Nichts Neues

Titel: Im Westen Nichts Neues
Autoren: Erich Maria Remarque
Vom Netzwerk:
Fäuste braucht. Dafür hat er dann seine Vorteile.
    Wir kommen zum Beispiel nachts in einen völlig unbekannten Ort, ein trübseliges Nest, dem man gleich ansieht, daß es ausgepowert ist bis auf die Mauern. Quartier ist eine kleine, dunkle Fabrik, die erst dazu eingerichtet worden ist. Es stehen Betten darin, vielmehr nur Bettstellen, ein paar Holzlatten, die mit Drahtgeflecht bespannt sind. Drahtgeflecht ist hart. Eine Decke zum Unterlegen haben wir nicht, wir brauchen unsere zum Zudecken. Die Zeltbahn ist zu dünn.
    Kat sieht sich die Sache an und sagt zu Haie Westhus: »Komm mal mit.« Sie gehen los, in den völlig unbekannten Ort hinein. Eine halbe Stunde später sind sie wieder da, die Arme hoch voll Stroh. Kat hat einen Pferdestall gefunden und damit das Stroh. Wir könnten jetzt warm schlafen, wenn wir nicht noch einen so entsetzlichen Kohldampf hätten.
    Kropp fragt einen Artilleristen, der schon länger in der Gegend ist: »Gibt es hier irgendwo eine Kantine?« Der lacht: »Hat sich was! Hier ist nichts zu holen. Keine Brotrinde holst du hier.« »Sind denn keine Einwohner mehr da?« Er spuckt aus. »Doch, ein paar. Aber die lungern selbst um jeden Küchenkessel herum und betteln.« Das ist eine böse Sache. Dann müssen wir eben den Schmachtriemen enger schnallen und bis morgen warten, wenn die Furage kommt. Ich sehe jedoch, wie Kat seine Mütze aufsetzt, und frage: »Wo willst du hin, Kat?«
    »Mal etwas die Lage spannen.« Er schlendert hinaus. Der Artillerist grinst höhnisch. »Spann man! Verheb dich nicht dabei.«
    Enttäuscht legen wir uns hin und überlegen, ob wir die eisernen Portionen anknabbern sollen. Aber es ist uns zu riskant. So versuchen wir ein Auge voll Schlaf zu nehmen.
    Kropp bricht eine Zigarette durch und gibt mir die Hälfte. Tjaden erzählt von seinem Nationalgericht, großen Bohnen mit Speck. Er verdammt die Zubereitung ohne Bohnenkraut. Vor allem aber soll man alles durcheinander kochen, um Gottes willen nicht die Kartoffeln, die Bohnen und den Speck getrennt. Jemand knurrte, daß er Tjaden zu Bohnenkraut verarbeiten würde, wenn er nicht sofort still wäre. Darauf wird es ruhig in dem großen Raum. Nur ein paar Kerzen flackern in den Flaschenhälsen, und ab und zu spuckt der Artillerist aus.
    Wir duseln ein bißchen, als die Tür aufgeht und Kat erscheint. Ich glaube zu träumen: er hat zwei Brote unter dem Arm und in der Hand einen blutigen Sandsack mit Pferdefleisch.
    Dem Artilleristen fällt die Pfeife aus dem Munde. Er betastet das Brot. »Tatsächlich, richtiges Brot, und noch warm.«
    Kat redet nicht weiter darüber. Er hat eben Brot, das andere ist egal. Ich bin überzeugt, wenn man ihn in der Wüste aussetzte, würde er in einer Stunde ein Abendessen aus Datteln, Braten und Wein zusammenfinden. Er sagt kurz zu Haie: »Hack Holz.« 40 Dann holt er eine Bratpfanne unter seinem Rock hervor und zieht eine Handvoll Salz und sogar eine Scheibe Fett aus der Tasche; – er hat an alles gedacht. Haie macht auf dem Fußboden ein Feuer. Es prasselt durch die kahle Fabrikhalle. Wir klettern aus den Betten. Der Artillerist schwankt. Er überlegt, ob er loben soll, damit vielleicht auch etwas für ihn abfällt. Aber Katczinsky sieht ihn gar nicht, so sehr ist er Luft für ihn. Da zieht er fluchend ab.
    Kat kennt die Art, Pferdefleisch weichzubraten. Es darf nicht gleich in die Pfanne, dann wird es hart. Vorher muß es in wenig Wasser vorgekocht werden. Wir hocken uns mit unsern Messern im Kreis und schlagen uns den Magen voll.
    Das ist Kat. Wenn in einem Jahr in einer Gegend nur eine Stunde lang etwas Eßbares aufzutreiben wäre, so würde er genau in dieser Stunde, wie von einer Erleuchtung getrieben, seine Mütze aufsetzen, hinausgehen, geradewegs wie nach einem Kompaß darauf zu, und es finden. Er findet alles; – wenn es kalt ist, kleine Öfen und Holz, Heu und Stroh, Tische, Stühle – vor allem aber Fressen. Es ist rätselhaft, man sollte glauben, er zaubere es aus der Luft. Seine Glanzleistung waren vier Dosen Hummer. Allerdings hätten wir lieber Schmalz dafür gehabt.
    *
    Wir haben uns auf der Sonnenseite der Baracken hingehauen. Er riecht nach Teer, Sommer und Schweißfüßen.
    Kat sitzt neben mir, denn er unterhält sich gern. Wir haben heute mittag eine Stunde Ehrenbezeigungen geübt, weil Tjaden einen Major nachlässig gegrüßt hat. Das will Kat nicht aus dem Kopf. Er äußert: »Paß auf, wir verlieren den Krieg, weil wir zu gut grüßen können.« Kropp storcht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher