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Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Titel: Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual
Autoren: Adam Nevill
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Seine Hände zitterten zu sehr. Eine Hand war schwarz verkrustet von dem Blut, das aus der Wunde an seiner Hüfte gedrungen war. Als er es sah, wurde ihm wieder schlecht. Beim dritten Versuch schaffte er es endlich, den Schlüssel ins Schloss zu schieben.
    Er drehte ihn um. Es klickte. Grüne Lichter leuchteten auf und zeigten Ölstand und Temperatur an. Der Tacho und die Tankanzeige leuchteten gelb auf. Er trat mit dem nackten Fuß auf die Kupplung. Das Pedal war nur schwer zu bewegen. Er drehte den Schlüssel weiter.

    Der Wagen vibrierte. Der Motor sprang sofort an. Es war kaum zu glauben. Sicherlich war kein Benzin mehr im Tank. Oder der Motor hatte einen Defekt. Bestimmt würde irgendwas nicht funktionieren. Garantiert ging wieder etwas schief. So lief es doch die ganze Zeit.
    Er würgte seinen zwanghaften Gedankenstrom ab.
    Und dann ging der Motor wieder aus. Kalt. Er drehte erneut den Schlüssel. Der Motor sprang wieder an. Und ging wieder aus. Luke schaute auf die Benzinanzeige. Ungefähr ein Zehntel des Tanks war noch voll. Diese Idioten hatten Benzin abgezapft, um den Scheiterhaufen anzuzünden. Wie weit würde er mit diesem bisschen Benzin kommen? Weit genug.
    Zum dritten Mal drehte er den Schlüssel und hoffte, dass der Motor nicht wieder absoff. Der Motor heulte auf und tuckerte unstet vor sich hin. Er gab Gas, der Motor stotterte hektisch. Es war ein alter Wagen, er hatte im Regen gestanden. Wie lange würde er brauchen, um warm zu laufen? War überhaupt genug Zeit dafür?
    Er sah zum Waldrand und fluchte, weil er sich hatte ablenken lassen. Ein winzig kleiner Moment der Unaufmerksamkeit genügte, und er war tot. Das hatte Phil auf grausame Weise erfahren.
    Nichts bewegte sich.
    Die Windschutzscheibe war viel zu fleckig, um richtig hindurch sehen zu können. Er drückte einige Schalter auf dem Armaturenbrett. Die Scheibenwischer bewegten sich. Gleichzeitig gingen die Nebelscheinwerfer und die Warnblinkanlage an. »Scheiße.«
    Egal, lass sie an.
    Handbremse lösen. Kupplung treten, den ersten Gang einlegen. Rechte Hand ans Lenkrad. Mit der Linken das Gewehr festhalten, weiter durch das Beifahrerfenster zielen. Den Finger am Abzug lassen.
    Der Pick-up ruckte nach vorn, rollte über die Wiese auf die
schmale Fahrspur zu. Der Motor lief zu hochtourig. Gas wegnehmen. Er musste sich erst einmal umgewöhnen, war es nicht mehr gewöhnt, einen Wagen mit Kupplung zu steuern. Das letzte Mal hatte er vor fünf Jahren so einen alten Pick-up gefahren, als er von einer düsteren Ecke Londons in eine andere umgezogen war.
    Der Pick-up verließ die Wiese und rumpelte auf die Fahrspur. Fast wie von allein schienen die Räder den Weg zu finden, den sie hergekommen waren. Das war zu einfach.
    Er sah sich in alle Richtungen um, zum Waldrand auf der linken Seite, über die Kühlerhaube zu den dürren Obstbäumen, dann wieder nach links in die Bäume. Nichts bewegte sich. Hoffnung brandete in ihm auf. Vor lauter Anspannung musste er rülpsen. Er brauchte dringend frische Luft. Er drehte das Fahrerfenster herunter.
    Zum ersten Mal blickte er in den Rückspiegel. Vor seinen Augen verschwamm alles. Sein Gesicht war blutverkrustet und an den Stellen, wo er Schweiß und Tränen weggewischt hatte, völlig verschmiert. Mit dem schmutzigen Bart sah er aus wie ein Steinzeitmensch. Seine rotgeränderten Augen glotzten panisch wie die eines Irren. Unter dem Haaransatz und der Blumenkrone zog sich eine verkrustete Linie wie der geriffelte Rand einer Pastete bis zur linken Augenbraue. Tiefe sorgenvolle Furchen hatten sich seitlich von Augen und Mund in sein Gesicht gegraben.
    Er fuhr am Obstgarten vorbei. Das düstere alte Haus verschwand aus dem Rückspiegel. Er merkte, dass er einen Singsang begonnen hatte. »Weiter. Weiter. Weiter. Weiter.«
    Er hörte auf damit, und bemerkte mit Schrecken, wie vor ihm die Bäume ganz dicht an den matschigen Weg heranreichten. Es wurde um ihn herum dunkel, denn er fuhr nun durch eine Art natürlichen Tunnel, durch einen von dichtem Blattwerk begrenzten Schacht. Die Zweige kratzten und schlugen gegen die Karosserie. Peitschten durch das geöffnete Fahrerfenster, als wollten sie ihm ins Gesicht schlagen. Er zog das Gewehr ins
Wageninnere und begann, die Fenster hochzudrehen. Das waren einfach zu viele verschiedene Anforderungen in seinem Zustand. Der Wagen ruckte und blieb stehen.
    »Scheißdreck!« Jetzt wurde er wütend. Der Gewehrkolben hing irgendwo fest und ließ sich nicht bewegen. Deshalb konnte
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