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Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)
Autoren: Charlotte Link
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zu der Stelle, wo der Mann gestanden hatte. Er kannte sich hier aus wie in seiner Westentasche, denn er hatte sein ganzes Leben in Cardigan verbracht, und er war jeden Tag bei Wind und Wetter mit seinen verschiedenen Hunden über die Hochebene gestreift. Er wusste, dass es hier eine Abstiegsmöglichkeit gab und dass man unten eine kleine Bucht vorfand, in der man auch baden konnte. Als Junge und junger Mann hatte er das manchmal getan. Jetzt würde er seinen steifen Knochen den steilen Ab- und Aufstieg nicht mehr zumuten.
    Er trat an den Rand der Klippe. Robby blieb dicht neben ihm. Seine Nackenhaare sträubten sich. Er knurrte leise.
    »Ruhig. Sei ganz ruhig! Was hast du denn?« Vielleicht mochte der Hund die Witterung des Fremden nicht. Er war ja auch wirklich richtig unheimlich gewesen.
    Bran betrachtete die steinernen Stufen, die nach unten führten. Er konnte nichts entdecken, was die Aufmerksamkeit des seltsamen Mannes so gefesselt haben sollte. Felsen. Ein paar Blumen, die dazwischen wuchsen. Moos, das sich in die Spalten schmiegte. Unten das Meer. Die Flut hatte ihren Höhepunkt erreicht. Die Gischt spritzte in gelblichen Fontänen nach oben. Das Wasser hatte die graue Farbe des wolkigen Himmels.
    Er beugte sich etwas weiter vor. Von dem Sandstreifen unten war erwartungsgemäß nichts zu sehen.
    Robby knurrte wieder, dann begann er zu bellen. Bran kannte ihn lange genug, um zu wissen, dass er nie ohne Grund bellte.
    »Schon gut, Robby. Dich stört hier irgendetwas, ja?«
    Der Hund bellte lauter. Er schien äußerst erregt. Sein Schwanz ging wild hin und her.
    Bran beugte sich noch weiter über den Klippenrand, so weit er es sich erlauben konnte, ohne zu riskieren, dass er abstürzte. Die Felsen schoben sich hier ziemlich weit nach vorn, ehe sie sich zurückbildeten und als Steilwand hinunter in die kleine Bucht stürzten. An dieser Stelle war es unmöglich, hinabzusteigen. Jeder Versuch wäre lebensgefährlich gewesen.
    Er meinte plötzlich, etwas zu sehen. Etwas Rotes, das er sich nicht erklären konnte. Irgendetwas war da unten an der Steilwand. Er legte sich kurz entschlossen flach auf den Boden und neigte sich dann erneut über den Klippenrand. Diese Haltung erlaubte es ihm, sich weiter nach vorn zu schieben, als er es stehend hätte verantworten können. Robby bellte inzwischen unaufhörlich.
    »Das gibt es doch nicht!« Bran meinte, seinen Augen nicht trauen zu können. Er sah eine Frau. Eine Frau in Jeans und rotem T-Shirt. Sie kauerte auf einem winzigen Vorsprung, auf dem sie wahrscheinlich nur deshalb Halt fand, weil sich in seiner Mitte eine Vertiefung befand, in der sie ihre Füße hatte unterbringen können. Sie presste sich eng gegen den Felsen. Sie starrte zu ihm herauf.
    Wie, um Himmels willen, war sie an diese Stelle gekommen?
    »Ma’m?«, rief er, und weil ihm nichts anderes einfiel, fügte er hinzu: »Sind Sie in Ordnung?«
    Sie antwortete nicht, aber er meinte zu erkennen, dass sie nickte. Hatte der unheimliche Kerl sie vorhin hinabgestoßen? Bran wusste allerdings nicht, wie sie es dann hätte schaffen sollen, auf diesem winzigen Vorsprung aufzukommen.
    Vorsichtig wandte er den Kopf. Der Kerl war womöglich hochgefährlich, und er mochte nicht plötzlich hinterrücks von ihm überrascht werden.
    Aber weit und breit war niemand zu sehen.
    Bran wandte sich wieder der Frau zu. »Ich helfe Ihnen nach oben!«, rief er. Ihm war nur noch nicht klar, wie das funktionieren sollte. Er hatte kein Handy, weil er diesen neumodischen Mist ablehnte. Er konnte also keine Rettung herbeitelefonieren.
    »Ich werde Hilfe holen!«, rief er. »Ich bräuchte etwa dreißig Minuten bis Cardigan. Halten Sie so lange durch?«
    »Nein.« Zum ersten Mal hörte er jetzt ihre Stimme. Sie klang schwach. »Nein. Bitte helfen Sie mir. Ich habe kaum noch Kraft.«
    »Okay. Okay!« Er zog sich zurück und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Robby hatte aufgehört zu bellen. Er saß im Gras und schaute Bran erwartungsvoll an.
    Er stand auf und ging hinüber zu den Stufen. Die einzige Möglichkeit, die er sah, die Frau zu befreien, war, ein Stück weit die Stufen hinunterzusteigen, bis er sich mit ihr auf einer Höhe befand. Dann musste sie versuchen, sich zu ihm herüberzuhangeln. Auf halber Strecke würde sie dann hoffentlich seine ausgestreckte Hand ergreifen können. Es war gefährlich, schien ihm aber weniger riskant, als wenn er sie ermuntern würde, weiter nach oben zu steigen, um dann von ihm über den weit nach
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