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Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)
Autoren: Carmen Lobato
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erzkonservativen Cachupin aus der Hauptstadt, der von den Menschen hier in Querétaro keine Ahnung hat. Vielleicht ist das der erste Schritt, um Benito abzusägen?«
    Martina lachte rauh auf und küsste Katharina auf die Wange. »Weißt du, dass es hinreißend ist, wie du Felipe Sanchez Torrija einen Cachupin schimpfst, als wärst du ein altes Nahua-Weib mit gelben Zähnen und Runzeln vom Keifen? Ich kann es deinem Benito nicht verdenken, dass er sich nach dir krank sehnt.«
    Ein wenig gequält lachte Katharina mit. »Ich bin ein altes Nahua-Weib, und ich habe mehr Runzeln als verbleibende Lebensjahre«, sagte sie. »Meine Zähne sind nur deshalb nicht gelb, weil Stefan mir aus Europa Kalodont mitbringt, und ein Mann, der in Mexiko Geld scheffelt, um das Leben eines spanischen Grandes zu führen, ist für mich ein Cachupin, und wenn er hundertmal in diesem Land geboren ist. Das hier ist meine Heimat, Martina. Die Menschen, die ich liebe, sind Nahua – allen voran mein Mann und meine Kinder.«
    Über Martinas Gesicht ging eine seltsame Regung. »Das porzellanhäutige, butterblonde Geschöpf, das heute Geburtstag hat, ist in der Tat eine Nahua, wie sie im Buche steht«, bemerkte sie trocken. »Hast du dich jetzt beruhigt? Oder sollten wir zwei Hübschen uns einen kleinen goldenen Tequila gönnen, um unsere Runzeln zu glätten?«
    »Goldener Tequila klingt himmlisch«, bekannte Katharina. »Nur dass er genügt, um mich zu beruhigen, bezweifle ich.«
    Martina ging in die Knie, zog die Tonflasche heran, aus der sie vorhin einige sorgsam bemessene Tropfen auf das Gemüse geschüttet hatte, und schenkte ihnen beiden einen fingerhohen Becher randvoll. Die beiden Frauen tauschten einen Blick. So hatten sie miteinander Tequila getrunken, als sie jung gewesen waren, auf Martinas Dachterrasse über dem Alameda-Park von Mexiko-Stadt, und der Scharfgebrannte aus dem Herzen der blauen Agave hatte sie nicht beruhigt, sondern das Feuer in ihnen noch angefacht. Martina lächelte. »Goldener Tequila, geh mir nach oben, nach unten, in die Mitte und ins Herz.« Sie vollführte die Bewegungen mit dem Becher, trank einen mannhaften Schluck und reichte das Gefäß an Katharina weiter.
    Die Flüssigkeit brannte in der Kehle und war wie ein Versprechen: Was sich heute nicht lösen lässt, wird sich morgen schon von selber fügen. Katharina musste auch lächeln. Als Benito ihr zum ersten Mal Tequila gegeben hatte, war sie fünfzehn Jahre alt und fiebrig vor Liebe gewesen. »Kannst du eigentlich fassen, dass wir beide im Großmutteralter angekommen sind?«, fragte sie die Freundin.
    »Schwerlich«, erwiderte Martina. »Aber wenn mich mein altersweiser Blick nicht täuscht, werden mein charmanter Sohn und deine entzückende Tochter es uns demnächst deutlich machen.«
    »Ist das dein Ernst?«, rief Katharina. »Tomás und Josefa?«
    Martina ließ ein ungläubiges Schnauben hören und schnitt eine Grimasse. »Wo hast du eigentlich deine hübschen Augen? Für Josefa ist mein Tomás ungefähr so anziehend wie der Welpe eines Straßenköters, den man flüchtig tätschelt und gleich darauf vergisst. Um die kühle Schöne von El Manzanal aus der Reserve zu locken, muss schon ein anderes Kaliber aufmarschieren.«
    »Was willst du damit sagen?«, fragte Katharina, die den Sohn ihrer Freundin von Herzen gern mochte und sich für Josefa keinen besseren Gefährten hätte wünschen können. Das unkomplizierte Wesen des jungen Malers hätte ihrer Ältesten womöglich geholfen, das Leben ab und an ein wenig leichtzunehmen.
    »Ich will damit sagen, dass Josefa keinen gewöhnlichen Sterblichen sucht«, erklärte Martina, »sondern einen, der ihr so überlebensgroß und unerreichbar erscheint wie der Mann, den sie am meisten verehrt. Ihren Vater.«
    »Aber Benito ist doch …«
    Martina winkte ab. »Benito ist sein Gewicht in Gold wert und der geborene Vater. Kein Mensch bestreitet das. Aber dass Josefas Beziehung zu ihm kompliziert ist, weißt du selbst am besten.«
    »Er liebt sie, Martina. Er könnte keine andere Tochter auf der Welt so sehr lieben.«
    »Mir ist das klar«, sagte Martina. »Das Elend ist nur, dass es Josefa nicht klar ist. Im Übrigen hatte ich deine süße Zweitgeborene im Sinn, als ich über baldige Großmutterfreuden spekulierte. Sollte dir entgangen sein, dass Anavera und Tomás sich bereits im zarten Alter von drei und sechs Jahren die ewige Treue versprachen, so darfst du in Kürze mit einer Erneuerung des Schwurs rechnen. Wo mein
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