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Im Schattenwald

Im Schattenwald

Titel: Im Schattenwald
Autoren: Matt Haig
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sag doch endlich was!«
    Er schüttelte sie, doch er bekam einfach nichts aus ihr heraus. Sie kniff nur die Augen zusammen und versteckte sich unter ihrer Bettdecke, nachdem er sie losgelassen hatte.
    Wie ein Hase , dachte Samuel. Oder ein Huldre .

    Als sie hörte, dass Samuel wieder ins Bett gegangen war, lugte Martha unter der Bettdecke hervor und warf im Dunkeln einen Blick auf die undeutliche Silhouette, die ihr gegenüberlag. Sie hatte das Gefühl, dass ein ganzes Universum zwischen ihnen war. Im Grunde hatte sie das Gefühl, zu allem den Kontakt verloren zu haben, aber das machte ihr nichts aus. Sie wusste, dass dies die beste Art war zu existieren. Denn wenn du kein wirklicher Teil der Welt bist - der sprechenden, lächelnden, singenden Welt -, kann sie dir auch nichts mehr anhaben.
    Sie hatte sich ihren Eltern so nah gefühlt - und was war geschehen?
    Nun, dann würde sie, Martha Blink, eben so weiterleben - mit einem Universum zwischen ihr und der Welt, das sie von allem Schmerz, allen Tränen und allem Glück dieser Welt fernhielt.

Die Katze mit den beiden Halsbändern
    N achdem er seine Tante um Erlaubnis gefragt hatte, ging Samuel am nächsten Nachmittag auf die Wiese, die sich zwischen der Rückseite des Hauses und dem Waldrand befand. Er wusste, dass Tante Eda ihn vom Küchenfenster aus beobachtete, um sicherzugehen, dass er den Bäumen nicht zu nahe kam.
    Was soll ich nur machen? , fragte sich Samuel.
    Er war hinausgegangen, weil es drinnen nichts zu tun gab. Kein Fernseher. Keine Playstation. Und eine Schwester, deren Stimme zusammen mit den Eltern gestorben war.
    Gelangweilt davon, alte Bücher zu lesen, hatte er den grünen Hügel zwischen dem Haus und den Bäumen betreten. Doch nun merkte er, dass er hier auch nichts tun konnte. Es gab nur einen Wald, den er nicht betreten durfte, und Gras, Gras und nochmals Gras. Er wollte schon wieder hineingehen, als er eine schwarze Katze mit leuchtend grünen Augen erblickte, die ihn direkt anstarrte.
    Wie merkwürdig , dachte er. Tante Eda hat doch keine Katze .
    Als Samuel näher heranging, sah er, dass sie zwei Halsbänder trug. Ein schwarzes und ein weißes. Beide waren aus Stoff und an beiden war eine kleine Metallscheibe befestigt.
    »Miez, miez, na komm, mein Kätzchen.«
    Samuel ging in die Hocke und versuchte, die Katze zu sich zu locken, doch sie bewegte sich nicht vom Fleck. Starr und
vornehm wie eine Königin musterte sie den Jungen mit ihren dunklen, trägen Augen.
    »Miez, miez, miez.«
    Samuel streckte seine Hand weiter aus, streichelte ihr über den Kopf und schob einen Finger unter eines der Halsbänder. Behutsam versuchte er, die Katze zu sich heranzuziehen, stieß jedoch auf Widerstand. Als sie ihren Kopf zurückzog, löste sich das Halsband.
    Samuel untersuchte die Metallscheibe, die an dem weißen Stoff befestigt war, und las den eingravierten Namen.
    HEK
    »Hek«, sagte er. »Das passt zu dir. Ein komischer Name für eine komische Katze.«
    Die Katze rührte sich immer noch nicht vom Fleck, fauchte den Jungen, der eines ihrer Halsbänder gestohlen hatte, jedoch wütend an.
    »Tja, tut mir leid«, sagte Samuel. »Das gehört jetzt mir. Und wozu brauchst du eigentlich zwei …?«
    Plötzlich hielt er erschrocken inne. Er war ganz sicher - so sicher, wie man nur sein kann -, dass die Augenfarbe der Katze sich vorübergehend geändert hatte. Er hätte schwören können, dass sie für einen Augenblick nicht mehr grün, sondern schwarz oder zumindest dunkelgrau geworden war.
    Ein Schauer lief ihm über den Rücken, und das lag weniger an der kühlen Brise als daran, dass die katzenhafte Gestalt, die vor ihm hockte, etwas höchst Unnatürliches an sich hatte.
    »Unheimliches Vieh«, murmelte er, »rätselhaftes, unheimliches Vieh.«
    Samuel drehte sich um und blickte zum Haus hinüber. Durch das Wohnzimmerfenster sah er, wie Tante Eda in die Küche ging, um das Abendessen für Ibsen zuzubereiten.
    Obwohl ihm mulmig zumute war, widerstrebte es ihm, ins
Haus zurückzugehen. Schließlich war die Begegnung mit der seltsamen Katze vermutlich das Aufregendste, was er an diesem langweiligen Ort erleben konnte.
    »Was willst du?«, fragte Samuel.
    Die Katze, deren Augen wieder ihre ursprüngliche Farbe angenommen hatten, starrte unverwandt auf das weiße Halsband, das Samuel ihr gestohlen hatte.
    »Du willst das Halsband zurückhaben, nicht wahr?«
    Die Katze fauchte erneut, doch es war kein normales Fauchen. Es war ein Geräusch, das eine kleine
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