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Im Schattenwald

Im Schattenwald

Titel: Im Schattenwald
Autoren: Matt Haig
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bequemer ist als jedes Kissen. Verschläft einen Großteil seines Lebens und träumt von Beeren. Verschlingt einen menschlichen Kopf mit einem Happs.
    Grauschwanz der Hase : Ein alter Hase, der seine Artgenossen im Gehege davon überzeugt hat, dass Thubula, der Hasengott, sie alle beschützen wird. Dennoch werden sie eines Tages womöglich in einem Troll-Kochtopf landen.
    Calooshes : Große, dreiköpfige Vögel, noch dümmer als Hasen, die schreiend durch den Wald laufen und in Löcher fallen.

Auf dem Weg zur großen Überraschung
    D ie Baumstämme, die auf der Ladefläche des Schwertransporters lagen, waren zu einer Pyramide gestapelt und mit drei grauen Riemen befestigt, deren Beschaffenheit Samuel Blink nicht genau erkennen konnte. Einer der Riemen hatte sich gelockert, sodass die Baumstämme vibrierten, als wollten sie jeden Moment zurück in den Wald fliehen.
    Der Schwertransporter überholte das Auto mit unerhörter Geschwindigkeit.
    »Hast du so was schon mal erlebt?«, fragte Samuels Vater Peter. »So ein Raser!«
    Samuels Vater hielt alle Fahrer außer sich selbst für Raser und LKW-Fahrer für die größten Raser von allen.
    »Na großartig!«, seufzte er, als das riesige Fahrzeug vor ihm abbremste. »Wenn’s so weitergeht, sind wir morgen noch unterwegs!«
    Der Holztransporter fuhr direkt vor ihm und nahm beide Fahrbahnen in Beschlag, sodass die weißen Mittelstriche wie Laser unter ihm hervorschossen.
    »Wir habe jede Menge Zeit«, entgegnete Samuels Mum, die auf den Namen Liv hörte. Immer wenn sein Dad in Rage geriet, war sie die Ruhe selbst.
    Samuel wusste zwar nicht, wo sie hinwollten, doch er wusste genau, dass er das Singen seiner Schwester nicht länger ertragen konnte. Wobei Singen die falsche Bezeichnung war.
Es hörte sich eher so an, als würde jemand eine Katze würgen.
    »Mum, kannst du Martha nicht sagen, sie soll endlich mit diesem grauenhaften Gekreische aufhören?«
    »Wieso Gekreische?«, fragte seine Mutter. »Also ich finde, sie singt wunderschön.«
    Eine waschechte Lüge. Eine der Millionen von Elternlügen, die Samuel während seines zwölfjährigen Erdendaseins bereits kennengelernt hatte. Doch er wusste, dass er heute keine Unterstützung erwarten konnte. Denn schließlich hatte Martha Geburtstag - was nicht zuletzt an den beiden Stickern auf ihrer Jacke - »Ich bin 10« und »Mein 10. Geburtstag« - zu erkennen war.
    Sie sang noch lauter. Samuels Kopf vibrierte wie die Baumstämme auf der Ladefläche, als er ihn gegen die Scheibe lehnte und den verschwommenen Grasstreifen betrachtete, der an ihm vorüberzog.
    »Dad!«, appellierte er an das stellvertretende Oberhaupt der Familie. »Sag du doch was!«
    Doch sein Vater reagierte nicht. Er war viel zu beschäftigt damit, sich über den Holztransporter vor ihm aufzuregen.
    »Was soll das denn? Erst überholt der mich und dann tritt er auf die Bremse.«
    Martha drehte sich in ihrem Sicherheitsgurt und schmetterte direkt in Samuels Ohr:
    I’m your baby girl,
    And you could be my world …
    Uääh … Samuel wurde übel. Er hasste es, dass seine Schwester immer in den unpassendsten Momenten sang - vor allem wenn er müde war. Er hatte letzte Nacht nur zwei Stunden geschlafen, weil ihn mal wieder sein üblicher Albtraum gequält hatte. Der Albtraum handelte stets von sonderbaren Monstern mit Schwänzen und grauer Haut und Augen, die
nie zwinkerten. In Schweiß gebadet, war er aufgewacht und hatte danach keinen Schlaf mehr finden können.
    »Man müsste Mörder dazu verurteilen, dir zuzuhören«, sagte er zu Martha.
    »Halt die Klappe, du bist doch bloß neidisch!«
    Dann trällerte sie wieder ihre dämlichen Girlie-Lovesongs. Er wusste, dass sie den ganzen Tag singen würde, weil sie das sowieso jeden Tag machte. Als wäre ihr ganzes Leben ein einziges langes Lied. Als wäre sie Bestandteil einer dieser bescheuerten Musik-Shows, die sie immer im Fernsehen anschaute.
    Samuel starrte wieder aus dem Fenster und betete, dass Martha still sein würde.
    Still wie ein Baumstamm.
    Selbst wenn sie irgendwas sagte, machte sie ein Lied daraus. Dann tanzte ihre Stimme auf und ab und verwandelte jedes Wort in eine andere Note.
    Anstatt also zu fragen: »Wo fahren wir eigentlich hin?«, sang sie:
    fahren hin?«
wir
»Wo ei-
gent-
lich
    Worauf ihre Mutter antwortete: »Du willst dir doch die Überraschung nicht verderben, oder?«
    »Nein«, sang Martha.
    »Wirst es schon bald sehen«, fügte ihre Mutter hinzu.
    »Aber nicht, wenn wir weiter hinter
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