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Im Schatten von Notre Dame

Titel: Im Schatten von Notre Dame
Autoren: Joerg Kastner
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manchmal recht wackligen Quellen?

    Hinweisen möchte ich in diesem Zusammenhang nur auf vier Männer, die uns in Sauveurs Bericht begegnen.
    Der erste, Pierre Gringoire, spielt auch bei Hugo eine wichtige Rolle.
    Aber der Schauspieler und Stückeschreiber Pierre Gringoire, den uns die Quellen benennen, wurde erst um 1475 geboren und konnte 1482/83
    nur ein Knabe sein.
    Der zweite, Leonardo da Vinci, soll nach einem oberflächlichen Blick auf manche Zeittafeln schon 1482 in die Dienste des Mailänder Herzogs getreten sein. Ein Widerspruch zum vorliegenden Bericht? Nur wer genauer nachforscht, stößt auf die finstere Wolke über dieser Zeit-angabe, und ein Biograph Leonardos, Kenneth Clark, hat ehrlicher-weise die Angabe [1482 – Übersiedlung nach Mailand] in deutliche Klammern gesetzt.
    Wer den wackeren Bogenschützen Quentin Durward nur aus den Schriften Sir Walter Scotts kennt, wird sich mit Recht wundern, ihn von Sauveur als historische Gestalt belegt zu sehen. Aber vielleicht ist es kein Zufall, daß Victor Hugo sich mehrmals auf Scott berief. Finden sich vielleicht in den Werken des großen Schotten Hinweise zur Lösung all der Geheimnisse, die hier nur angerissen werden können?
    Eine Frage, deren Beantwortung den Anglisten und Historikern überlassen bleibt. Nur das als Fingerzeig: Als Scotts Roman Quentin Durward 1823, im Jahre seiner Erstveröffentlichung, in Frankreich erschien, besorgte Madame Gosselin die Übersetzung, die Gattin des zukünftigen Verlegers von Notre-Dame.
    François Villon schließlich führte bislang nur eine Phantomexistenz, soweit es sein Leben nach der Verbannung aus Paris im Jahre 1463 betrifft. Sein Sterbedatum galt als ungesichert, wurde von verschiedenen Seiten in den 1460er Jahren vermutet. Jedoch nennen Weber/Baldar-mus in ihrer Geschichte des Mittelalters und Huizinga im Herbst des Mittelalters, leider ohne uns ihre Quellen zu verraten, ausdrücklich 1484 als Villons Todesjahr, und damit sind sie nicht weit von Sauveurs Angabe entfernt.
    Wer, anstatt die Lösung der vielen Rätsel auf vergilbtem Papier zu suchen, selbst auf Entdeckungsreise gehen will, dem sei natürlich die Pariser Kathedrale empfohlen, zu einem Zeitpunkt, da die Touristen-ströme etwas nachlassen. Der Glöckner von Notre-Dame ist nur in der deutschen Version der Titelheld. Bei Victor Hugo steht, gewiß nicht zufällig, die Kathedrale selbst im Mittelpunkt des Titels: Notre-Dame de Paris.

    Glossar
    Abakusstab: Würdezeichen des Großmeisters der Templer, das am oberen Ende das Tatzenkreuz zeigt
    Abélard, Fierre (1079-1142): Gelehrter und Dichter, der gegen den Willen des Kanonikers Fulbert heimlich dessen Nichte Héloïse heiratete und von Fulbert zur Strafe entmannt wurde
    Archidiakon: Vorsteher eines Kirchensprengels Barbakane: befestigtes Vorwerk einer Burg
    Coeur, Jacques (um 1395-1456): reicher Kaufmann und Finanzminister des französischen Königs Karl VII.
    Conciergerie: Gefängnis im Justizpalast von Paris, benannt nach dem
    ›Concierge‹, dem Intendanten des ehemaligen Königs- und späteren Justizpalastes
    Dalmatika: helles Diakons- und Bischofsgewand Donjon: Bergfried
    Elfmalzwanziger (les Onze Vingts): Bezeichnung für die 220 unberittenen Polizei-Sergeanten, die in Paris für Ordnung sorgten Filius maior: Stellvertreter eines Katharerbischofs Fuß: Längenmaß, ca. 30 Zentimeter
    Gaillon-Haus: Kanonikerhaus, in dem ab 1455 die Chorknaben von Notre-Dame untergebracht waren
    Gadscho: Bezeichnung der Zigeuner für einen Nichtzigeuner Grand-Châtelet: oft auch nur ›Châtelet‹ genannter Sitz des Pariser Profos, Ort seiner Rechtsprechung und Gefängnis; als befestigter Kopf des Pont-aux-Changeurs (später ›Pont-au-Change‹) auf dem rechten Seine-Ufer Wächter über den Zugang zur Ile de la Cité Hôtel-Dieu: dem Domkapitel von Notre-Dame angeschlossenes Hospital
    Infirmarius: Mönch, der die Kranken pflegt Kanoniker: Geistlicher, der nach den Kirchengesetzen lebt oder in ein Kirchenregister eingetragen ist
    Klafter: Flächen-, Raum- und Längenmaß, als letzteres ca. 180 Zentimeter
    Komplet: letzte kanonische Gebetsstunde am Abend, bevor sich die Kanoniker zur Nachtruhe begeben
    Marienglas: Glasersatz in Form durchsichtiger Spaltstücke von Gips und Glimmer
    Mette: Nachtgottesdienst
    Non: Nachmittagsgebet
    Oblat: Laie, der sich an ein Kloster bindet Occitanien: alte Bezeichnung für die südfranzösische Landschaft Lan-guedoc
    Offertorium: Darbringung von Brot und Wein mit den
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