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Im Schatten dunkler Mächte

Im Schatten dunkler Mächte

Titel: Im Schatten dunkler Mächte
Autoren: Karen Marie Moning
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entschlosseneHund-mit-Knochen-Miene aufgesetzt hatte, entdeckte ich eine neue Komponente, die mir bisher nicht aufgefallen war. Es war derselbe Ausdruck, den ich in O’Duffys Augen gesehen hatte an dem Morgen, als er zu mir kam und schließlich starb – ein argwöhnischer Blick, der die Zweifel an seiner Welt verriet. Ein sicheres Zeichen, dass Jayne, genau wie O’Duffy damals, in Angelegenheiten herumstocherte, die ihn vermutlich das Leben kosten würden. Auch wenn O’Duffy auf eine Art gestorben war, die auf einen menschlichen Mörder hindeutete, hegte ich keinen Zweifel, dass er hatte sterben müssen, weil er einiges über die neuen Jungs in der Stadt – die Feenwesen – in Erfahrung gebracht hatte.
    Ich seufzte. Ich wollte so schnell wie möglich aus meinen ekeligen, nassen Kleidern kommen und mir die verklebten Haare waschen. »Lassen Sie’s bleiben, ja? Lassen Sie’s einfach bleiben. Ich habe mit dem Mord an O’Duffy nichts zu tun, und ich kann Ihnen nichts anderes sagen.«
    Â»Doch, das haben Sie. Sie wissen, was sich in dieser Stadt abspielt, Miss Lane. Ich hab keine Ahnung, wie oder wo Sie in dieses Bild passen, aber Sie wissen es. Deshalb war Patty hier, um mit Ihnen zu sprechen. Er hat an dem Morgen nicht vorbeigeschaut, um Ihnen irgendetwas über den Fall Ihrer Schwester zu sagen. Er wollte Sie etwas fragen. Was war das? Was hat ihm die ganze Nacht so sehr zu schaffen gemacht, dass er unbedingt sofort mit Ihnen reden und nicht bis Montag warten konnte? Dass er seine Familie in die Kirche geschickt und selbst die Messe verpasst hat? Was hat Patty Sie an dem Morgen, an dem er starb, gefragt?«
    Er war gut. Das musste ich ihm lassen. Aber mehr würde ich nicht zugeben.
    Â»Werde ich auch umkommen, Miss Lane, weil ich hergekommen bin, um mit Ihnen zu sprechen?«, fragte er unumwunden. »Läuft es so ab? Hätte ich heute früh meine Kinder wecken und mich mit einem Kuss von ihnen verabschieden sollen, bevor ich das Haus verließ? Hätte ich meiner Frau noch einmal sagen sollen, wie sehr ich sie liebe?«
    Â»Es ist nicht meine Schuld, dass er gestorben ist«, versetzte ich bissig.
    Â»Vielleicht haben Sie ihn nicht umgebracht, aber Sie haben ihn offensichtlich auch nicht gerettet. Haben Sie ihm die Fragen beantwortet? Ist er deshalb gestorben? Oder wäre er noch am Leben, wenn Sie es getan hätten?«
    Ich funkelte ihn an. »Gehen Sie.«
    Er fasste in seine Innentasche und beförderte eine Handvoll zusammengefalteter Stadtkarten zutage.
    Ich wandte mich abrupt ab; diese Unterredung war mir zutiefst zuwider. Es war ein Déjà-vu, auf das ich kein bisschen scharf war.
    Patty O’Duffy hatte mir auch Stadtkarten gezeigt. An jenem Sonntagmorgen war er zu mir in den Buchladen gekommen, um mir anhand der Karten eine geographische Unmöglichkeit zu zeigen und von seiner Entdeckung zu sprechen – eine Entdeckung, die ich zwei Wochen vor ihm gemacht hatte: Teile von Dublin waren auf den neueren Karten nicht mehr eingezeichnet. Sie waren verschwunden, aus den Plänen und dem menschlichen Gedächtnis gelöscht, als hätten sie niemals existiert. Er hatte die Dunklen Zonen entdeckt. Er erkundete sie, betrat sie – nur eine Abenddämmerung vom Tod entfernt.
    Jayne beugte sich näher zu mir, bis seine Nase nurZentimeter von meiner entfernt war. »Haben Sie sich einige von diesen hier in letzter Zeit mal angesehen?«
    Ich schwieg.
    Â»Ich fand ein Dutzend dieser Karten auf Pattys Schreibtisch. Er hat gewisse Bereiche eingekreist. Es hat eine Weile gedauert, bis ich dahinterkam, warum. Die Garda hat ein Lagerhaus an der Lisle Street, sieben Blocks von hier entfernt. Man findet diese Straße auf keiner Karte, die in den letzten zwei Jahren gedruckt wurde.«
    Â»Und? Worauf wollen Sie hinaus? Dass ich nicht nur für den Mord, sondern auch noch für eine riesige Stadtplan-Verschwörung verantwortlich bin? Was wollen Sie mir als Nächstes anlasten? Dass ich in aller Heimlichkeit dafür sorge, dass Touristen spurlos verschwinden?«
    Â»Lustig, Miss Lane. Ich habe mir gestern eine lange Mittagspause gegönnt und bin in die Lisle Street gegangen. Ich hab versucht, mit einem Taxi hinzukommen, aber der Chauffeur behauptete steif und fest, dass es eine solche Adresse gar nicht gäbe, und weigerte sich hinzufahren. Ich musste zu Fuß gehen. Wollen Sie wissen, was ich
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