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Im Schatten des Palazzo Farnese

Im Schatten des Palazzo Farnese

Titel: Im Schatten des Palazzo Farnese
Autoren: Fred Vargas
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redete von Zeit zu Zeit mit sich selbst und ging wieder zurück ins Hotel, um sich hinzulegen, aber er schlief nicht wirklich gut. Am Tag nach Tiberius’ Verhaftung hatte er sorgfältig seinen Koffer gepackt, nach und nach aber alles wieder herausgeholt.
    Seitdem versuchte er, herauszufinden, warum er nicht nach Hause fuhr. Ihn verfolgte das Bild, wie Tiberius dem Heiligen-Gewissen von hinten die Kehle durchschnitt. Blutig. Nie hätte der echte Kaiser Tiberius mit eigener Hand jemandem die Kehle durchgeschnitten, das ließ er andere machen. Die Vorstellung, diesen Mörder wiederzusehen, reizte ihn nicht. Er hatte nichts mehr mit ihm zu schaffen. Allerdings kostete es nichts, bei Ruggieri vorbeizugehen, um sich nach Neuigkeiten zu erkundigen. Das war normal.
    Danach würde er fahren.

31
    »Sie sind noch immer in Rom, Monsieur Valence?« fragte Ruggieri und stand auf, um ihm die Hand zu geben. »Was hält Sie hier?«
    »Verpflichtungen«, murmelte Valence. »Zwischen zwei Terminen bin ich vorbeigekommen, um zu erfahren, wie es inzwischen mit dem Fall steht.«
    Ruggieri schien sich an ihre letzte Auseinandersetzung nicht zu erinnern. Man konnte über den Typen sagen, was man wollte, aber nachtragend war er nicht.
    »Kein Geheimnis«, erwiderte Ruggieri. »Binnen eines Jahres hat Thibault Lescale – Tiberius, wenn Ihnen das lieber ist – elf Renaissancezeichnungen aus der Biblioteca Vaticana geschmuggelt, nicht alle so auffällig wie der Michelangelo. Der Michelangelo hat ihm das Genick gebrochen. Fünf davon hat er verkauft und dafür hübsche Sümmchen erhalten, die in einem Schließfach in Paris liegen. Maria Verdi bekam als Anteil die Hälfte. Wenn man bedenkt, daß Tiberius alle Risiken übernahm, von der Akquisition bis zum Kassieren, war das sehr korrekt. Er hat die ganze Geschichte gern erzählt. Er kann nicht erklären, warum er das ganze Geld wollte, er lacht und sagt, er mag so was, er habe nicht widerstehen können, es sei so einfach gewesen. Alle in der Bibliothek haben ihm vertraut. Wie oft ist er mit einem Buch hinausgegangen, hat gesagt, er würde es am nächsten Tag zurückbringen, und Skriptor Prizzi hat ihn gewähren lassen. Und natürlich brachte er es am nächsten Tag zurück.«
    Ruggieri unterbrach sich und wickelte eifrig seine Krawatteum den Zeigefinger. Valence hatte den Eindruck, daß die Ermittlung so gut gar nicht lief.
    »Ich kann den Kerl nicht mehr sehen«, sagte der Inspektor.
    Er suchte nach einer Zigarette, bevor er fortfuhr.
    »Als Tiberius sich hier gehorsam eingefunden hat, war er barfuß. Absichtlich. Man hat ihm Schuhe gebracht, denn er hatte seine Sachen auf der Straße gelassen, und dann waren sie verschwunden. Können Sie sich vorstellen, wie neurotisch er sein kann? Jetzt weigert er sich bereits viereinhalb Tage, Schuhe oder gar Strümpfe anzuziehen, bloß keine Strümpfe! Sobald man ihm näher kommt, um es zu versuchen, brüllt er. Er sagt, er habe jetzt ein Mal die Gelegenheit, ›biblisch‹ zu sein, und er werde sie nutzen. Ich brauchte doch nur ein Gesetz zu suchen, das ihn zwingen könnte, Schuhe zu tragen. Wenn nicht, solle ich mich zum Teufel scheren. Das waren seine Worte. Gestern ist er barfuß dem Richter vorgeführt worden. Und so empfängt er jeden, mit einem Gesicht, als wären wir ihm völlig gleichgültig. Es ist bedrückend.«
    »Lassen Sie es bleiben, das wird die Anklage nicht hindern, ihre Arbeit aufzunehmen.«
    »Doch, das ist es ja«, wandte Ruggieri seufzend ein.
    Er erhob sich und ging, die Hände im Rücken verschränkt, im Zimmer umher.
    »Tiberius weist die beiden Morde von sich«, erklärte er. »Er leugnet. Er leugnet ganz gelassen. Er gesteht gern alles ein, was die Diebstähle betrifft, aber er leugnet die Morde.«
    Mit einer müden, resignierten Bewegung setzte sich Ruggieri wieder.
    »Glauben Sie ihm?« fragte Valence.
    »Nein. Wir wissen genau, daß er sie umgebracht hat. Alles paßt. Aber wir müssen ihn dazu bringen, daß er es selbst sagt, wir haben keine Beweise. Und Tiberius’ mentale Widerstandskraftist außerordentlich, ich weiß nicht, wie ich an ihn rankommen soll. Alles, was ich ihm erzähle, gleitet an ihm ab, und er sieht mich an … er sieht mich an, als würde er mich für unfähig halten.«
    »Ärgerlich«, bemerkte Valence.
    »Gehen Sie zu ihm, Monsieur Valence«, sagte Ruggieri plötzlich. »Sie haben großen Einfluß auf ihn, beruhigen Sie ihn, bringen Sie ihn zum Reden.«
    Valence schwieg. Das hatte er nicht
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