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Im Schatten des Palazzo Farnese

Im Schatten des Palazzo Farnese

Titel: Im Schatten des Palazzo Farnese
Autoren: Fred Vargas
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Maria war verliebt, und sie brachte es nicht fertig, ihren Namenszug zu vernichten, dieses Maria , das in Tiberius’ Handschrift auf den Zetteln stand. Sie brachte es einfach nicht fertig. Und diese Liebe war Tiberius zum Verhängnis geworden.
    Valence seufzte. Der junge Kaiser … Was würde nun aus den beiden anderen werden?
    Er war am Vatikan angelangt. Mit müden Schritten ging er zum Arbeitszimmer des Bischofs hinauf, der noch immer nicht arbeitete.
    »Sie müssen sich nicht mehr dagegen stemmen, Monsignore«, sagte er. »Sie haben ihn geschnappt. Tiberius ist in Ruggieris Händen. Heute morgen haben seine Leute beiMaria Verdi entdeckt, was Sie gestern nicht gefunden haben. Die Zettel lagen zusammengerollt in einem Rohr im Bad.«
    Vitellis Gesicht veränderte sich, und Valence senkte den Blick.
    »Was hofften Sie tun zu können, Monsignore? Direkt bei Gott für ihn eintreten? Seit wann schützen Bischöfe Mörder?«
    Valence fühlte sich am Ende seiner Kräfte. Er mußte zurückfahren. Édouard Valhubert wäre erleichtert, keinerlei Skandal würde seine Familie erschüttern.
    »Seitdem Mörder Bischöfe verzaubern«, murmelte Vitelli. »Er hatte die besten Eigenschaften der Welt und hat alles verloren. Ich hatte gehofft, ein paar Stücke zu retten, ihn wieder aufzubauen, aber … ich weiß nicht. Ich konnte nicht, ich konnte ihn nicht der Polizei ausliefern.«
    »Wie sind Sie ihm auf die Spur gekommen?«
    »Ich war schon seit langem beunruhigt. Seitdem mich Ruggieri mit einem Teil der Ermittlungen betraut hat, habe ich den Lesesaal überwacht. Auch Maria Verdi, die der Schlüssel dazu ist. Ich habe versucht, sie nicht nur als Bibliotheksinventar zu sehen, ich habe mir klarzumachen versucht, daß sie ein lebendiger Mensch ist, und so bin ich dahintergekommen. Donnerstag abend habe ich mich entschlossen, ihr Büro zu durchsuchen. Dort habe ich zwei Nachrichten von Tiberius’ Hand mit den Ihnen bekannten Informationen entdeckt. Gleich am nächsten Morgen habe ich Maria zu mir bestellt. Ich glaube, ich habe ihr fürchterliche Angst eingejagt, aber sie war so erleichtert, als sie erfuhr, daß ich Tiberius nicht ausliefern würde, daß sie bereit war, mir auf der Stelle zu gehorchen und später, wenn der Fall sich gelegt haben würde, die Vaticana zu verlassen. Die beiden Nachrichten, die ich besaß, habe ich vernichtet, und sie schwor mir, daß sie die anderen noch am selben Abendzerstören würde. Denn es gab ja noch weitere, die diese verrückte Frau andächtig zu Hause aufbewahrte, anstatt sie verschwinden zu lassen. Ganz aufgewühlt ist sie gegangen. In dieser Nacht hat Tiberius sie umgebracht. Aber selbst nach dem Verbrechen, selbst nach diesem schrecklichen Anblick hat mich etwas daran gehindert, Tiberius fallenzulassen. So habe ich alles auf eine Karte gesetzt und bin gestern in Marias Wohnung eingebrochen, um die Zettel an mich zu nehmen, das einzige Belastungsmaterial gegen Tiberius. Ich war mir nicht sicher, ob Maria sie wirklich vernichtet hatte, als sie nach Hause gekommen war. Leider hatte ich nicht genug Zeit, sie zu finden. Ich vermute, ich habe mich der Beihilfe schuldig gemacht. Muß ich Ihnen folgen?«
    »Ruggieri weiß nichts über Sie. Er wird den Einbrecher nie finden, außerdem hat das für ihn jetzt keine Bedeutung mehr, er wird es sein lassen.«
    Vitelli seufzte.
    »Was kann man sonst sagen?« murmelte er.
    »Ich muß nach Hause zurückfahren«, sagt Valence. »Ich werde nach Hause zurückfahren.«
    »Haben Sie einen Ort, wo Sie zu Hause sind?«
    »Ich glaube, ja«, antwortete Valence zögernd.
    »Ah, gut«, bemerkte Vitelli. »Ich nicht.«
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    * lat. – Der Todgeweihte grüßt dich. (Die Gladiatoren grüßten den römischen Kaiser vor Beginn der Spiele mit ebendiesen Worten: Ave, caesar, morituri te salutant!)

30
    Aber Valence fuhr nicht zurück. Es gelang ihm nicht, sich dazu durchzuringen.
    Seit vier Tagen saß Tiberius in Untersuchungshaft, die Ermittlungen waren abgeschlossen, der Justizapparat würde seine Arbeit bald aufnehmen, aber Valence konnte sich nicht entscheiden, zu fahren. Alle Welt war inzwischen wohl längst zurückgekehrt. Laura, die die Polizei nun von jeder Verpflichtung, in Rom zu bleiben, entbunden hatte, war bestimmt nach Paris zurückgefahren. Claudius und Nero waren zu ihrer Arbeit oder zu sonst was zurückgekehrt, und der Bischof wohl in sich selbst.
    Und er, Valence, schaffte es nicht, zu fahren. Er stand spät auf, lief stundenlang durch die Stadt, aß,
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