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Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)

Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)

Titel: Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)
Autoren: J. J. Bidell
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aufzutauchen. Leandra hatte ihre Tochter niemals aus den Augen gelassen. Manchmal hatte sie ihren Schlaf bewacht. Luna hatte sie gewähren lassen, zumal sie nur einander hatten.
    »Du kannst sie hier nicht einsperren«, riss Luna sie aus ihren Gedanken. »Naomi ist jung. Sie will was von der Welt sehen.«
    »Das ist es ja. Sie ist zu jung. Warum kann sie nicht einfach drei Jahre warten? Sie könnte das letzte Semester im Ausland studieren.« Leandras Einwand brachte ihr nur ein müdes Lächeln ein.
    »Naomi ist erwachsen, Mama.« Lunas Stimme klang ungeduldig. Offensichtlich war sie das Thema leid. »Außerdem ist sie eine hervorragende Kampfsportlerin. Sie kann besser auf sich aufpassen, als wir es je könnten.« Luna stand auf und trat ans Küchenfenster. Luna schien nach Naomi Ausschau zu halten. Vielleicht auch nach dem Briefträger, dachte Leandra bitter. Was konnte sie nur tun? Einzig auf weitere Absagen hoffen. Einerseits brach es ihr das Herz, wenn Naomi mit hängenden Schultern vom Briefkasten zurückkam, die Absage einer Universität vor ihr auf den Tisch fallen ließ und sie dabei ansah, als sei es ihre Schuld. Ein Mal hatte Naomi sogar geflüstert, ob sie nun zufrieden sei. Als ob es darum ginge! Andererseits war sie tatsächlich zufrieden. Nicht, weil sie es ihrer Enkelin nicht gönnte oder sie Naomi aus selbstsüchtigen Gründen bei sich behalten wollte. Sie ängstigte sich um sie. Sie war sicher, dass sich eine Katastrophe anbahnte. Sie spürte es in ihren alten Knochen.
     
    Naomi joggte durch den Wald, vorbei an Wiesen, die bald ein Meer aus Blumen wären. Sie konnte den Frühling bereits riechen. Noch zehn Minuten, dann wäre sie wieder zu Hause. Der Duft nach frischen Nadeln und Blumen hatte sie während ihrer Jugend begleitet. Sie war nach London begeistert gewesen, endlich ohne Aufsicht durch die Gegend zu strolchen, alles erkunden zu können. Doch sie war kein Kind mehr. Der kleine Ort wurde ihr zu eng. Daran konnte auch die Nähe zu Hamburg nichts ändern. Wie gerne wäre sie mit ihren Freundinnen nach Hamburg zum Shoppen gefahren. Großmutter hatte es nur erlaubt, wenn sie ihr versprach, vor Einbruch der Dunkelheit zurück zu sein. Im Sommer ging das, doch im Winter war es schon gegen fünf Uhr finster. Da konnte sie gleich zu Hause bleiben. Selbst jetzt noch verzog ihre Großmutter das Gesicht, wenn sie alleine über ein Wochenende verreisen wollte. Bisher hatte sie sich nicht durchsetzen können. Sobald Oma anfing zu weinen, brachte sie es nicht über sich zu fahren. Naomi ahnte, warum sich ihre Oma ängstigte. Opa und Papa. Beide waren bei Unfällen ums Leben gekommen. Vermutlich hatte sie Angst, auch Naomi zu verlieren. Ein einziges Mal war sie trotzdem über Nacht nach Lüneburg gefahren. Ihre Schulfreundin war in diese Stadt gezogen. Die von Oma vergossenen Tränen hatte sie in Form eines schlechten Gewissens mit im Gepäck. Das Wochenende war schrecklich gewesen. Seither hatte sie es vermieden, bei Omas merkwürdigen Stimmungen über Nacht wegzubleiben. Sie verstand sie nicht. Manches Mal störte es sie überhaupt nicht, nur um das nächste Mal von Heulkrämpfen geschüttelt zu werden. Dieses Mal konnte sie keine Rücksicht darauf nehmen. Leandra würde weinen. So viel stand fest. Aber Oma konnte schließlich kein halbes Jahr lang weinen. Sie musste irgendwann lernen, dass Naomi gut auf sich selbst achten konnte. Sie wollte endlich weg; diese ständige Angst um sie, sobald sie vor die Tür ging, machte sie fertig. Wenn sie es jetzt nicht schaffte zu gehen, würde sie es nie schaffen.
    Sie ließ die letzten Felder hinter sich und bog auf den Waldweg ein, der zu ihrem Haus führte. Die Ahornbäume, die den Pfad säumten, waren mit frischen Blättern überladen und dufteten nach Sommer. Als Kind hatte sie sich die hornförmigen Samen auf die Nase geklebt. Ihre Oma hatte gelacht, wenn sie wie ein Nashorn mit dem Fuß scharrte und mit gesenktem Kopf auf sie zurannte. Sie lächelte bei diesem Gedanken. Trügen die Ahornbäume schon Samen, hätte sie den alten Scherz aufleben lassen.
    Die letzten Meter zur Gartentür legte sie einen Sprint hin. Mit pochendem Herzen blieb sie vor dem Briefkasten stehen. Eine Zeitschrift lugte hervor. Der Briefträger war hier gewesen. Sie spürte ihren Herzschlag in jeder Faser ihres Körpers. Sie riss die Klappe auf. Jede Menge Werbebriefe und Rechnungen, doch dazwischen entdeckte sie die beiden Antwortschreiben aus den Vereinigten Staaten. Hawaii Pacific
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