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Im Schatten der Akazie

Im Schatten der Akazie

Titel: Im Schatten der Akazie
Autoren: Christian Jacq
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waren, aus eigenem Antrieb Entscheidungen zu treffen. Sein erstgeborener Sohn, Kha, war ein ganz und gar den Göttern verschriebener Mensch, fernab von den Erfordernissen der Verwaltung, wogegen Merenptah seinem Vater blind gehorchte und ohne ihn völlig hilflos sein würde. Und Ameni, der alternde Schreiber, zählte nicht mehr.
    Wenn man es recht bedachte, war die Macht viel brüchiger, als es den Anschein hatte. Ramses, der auf die Magie der Erneuerungsfeste und auf die Behandlung durch die Heilkundige Neferet zurückgreifen mußte, ging seinem Ende entgegen.
    War das nicht der geeignete Augenblick, zu einem entscheidenden Schlag auszuholen und Chenars Traum wahr werden zu lassen?

    Merenptah führte den Gesandten von Hatti in den großen Audienzsaal des Palastes von Pi-Ramses. Der Hethiter war allein gekommen, ohne das übliche, mit Geschenken beladene Gefolge. Er verneigte sich vor Ramses.
    »Majestät, ich muß dir eine traurige Nachricht überbringen: Dein Bruder, König Hattuschili, ist soeben verstorben.«
    In der Erinnerung des Pharaos tauchten unzählige Szenen auf, von der Schlacht bei Kadesch bis zum Besuch des Königs von Hatti in Ägypten. Hattuschili war ein furchterregender Gegner 394

    gewesen, ehe er zum treuen Verbündeten wurde. Mit ihm hatte Ramses eine bessere Welt aufgebaut.
    »Ist sein Nachfolger schon ernannt?«
    »Ja, Majestät.«
    »Wird er den Friedensvertrag einhalten?«
    Merenptah merkte, wie sich seine Kehle zuschnürte.
    »Die Entscheidungen unseres verstorbenen Königs gelten unabänderlich auch für seinen Nachfolger«, antwortete der Gesandte. »Es wird nicht eine Klausel des Vertrages in Frage gestellt.«
    »Übermittle Königin Puducheba mein Beileid und meine herzlichsten Grüße.«
    »Bedauerlicherweise war die Königin leidend, Majestät, und der Tod König Hattuschilis hat zu ihrem schnellen Ableben geführt.«
    »Versichere den neuen Herrn über Hatti meiner Freundschaft und meines Wohlwollens. Er möge wissen, daß er sich der Hilfe Ägyptens gewiß sein kann.«
    Sobald der Gesandte gegangen war, wandte sich Ramses an seinen Sohn.
    »Nimm unverzüglich Verbindung zu unseren Kundschaftern auf. Sie sollen mir schnellstmöglich einen Bericht über die Lage in Hatti senden.«
    Der Ägypter Hefat empfing den Phönizier Narish in seinem schönen Herrenhaus in Pi-Ramses. Er stellte ihm seine Gemahlin und seine zwei Kinder vor, beglückwünschte sich zu deren vortrefflicher Ausbildung und zu der schönen Zukunft, die sie sich erhoffen durften. Nach einem wohlschmeckenden Mahl, in dessen Verlauf sie nur zahlreiche Belanglosigkeiten ausgetauscht hatten, zogen sich der Vorsteher des Amtes für Wasserkunde und der fremdländische Kaufmann in eine Laube aus Sykomorenholz mit zierlich gearbeiteten kleinen Säulen 395

    zurück.
    »Deine Einladung ehrt mich«, beteuerte der Phönizier, »aber vergib mir meine Offenheit: Was ist der wahre Grund dafür?
    Ich betreibe Geschäfte, und du bist ein Fachmann hohen Ranges in der Wasserkunde … Wir haben keine Gemeinsamkeiten.«
    »Ich habe gehört, daß Ramses’ Maßnahmen zur Regelung des Handels nicht deinen Beifall finden.«
    »Sein lächerlicher Versuch, die Rechtmäßigkeit des Sklavenhandels in Frage zu stellen, schadet uns, das stimmt wohl, aber Ägypten wird letzten Endes einsehen, daß es mit dieser Auffassung alleine steht und sein Standpunkt unhaltbar ist.«
    »Das könnte allerdings viele Jahre dauern … Und wir würden es beide gern ungesäumt zu Reichtum bringen.«
    Der Phönizier wurde stutzig.
    »Ich verstehe den Sinn deiner Worte nicht recht, Hefat.«
    »Heutzutage regiert Ramses unangefochten, aber das war nicht immer so. Und diese uneingeschränkte Macht verdeckt eine große Schwäche: sein Alter. Ganz zu schweigen von der für seine Nachfolge völlig untauglichen Günstlinge Kha und Merenptah.«
    »Ich mische mich nicht in Staatsangelegenheiten, und schon gar nicht in die Ägyptens.«
    »Aber du glaubst doch an die Allmacht des Gewinns, nicht wahr?«
    »Liegt darin nicht die Zukunft der Menschheit?«
    »Helfen wir ihr nach, dieser Zukunft! Du wie ich, wir haben beide aus unterschiedlichen Gründen Anlaß, Rache zu nehmen an Ramses, einem alten König, der nicht mehr fähig ist zu herrschen. Aber das ist nicht das Entscheidende. Es gibt eine Möglichkeit, aus dem Verfall der alleinigen Macht des Pharaos 396

    Nutzen zu ziehen und ein unvorstellbar großes Geschäft zu machen.«
    »Wie groß?«
    »Bei vorsichtiger Schätzung
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