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Im Paradies der Suende

Im Paradies der Suende

Titel: Im Paradies der Suende
Autoren: Janet Mullany
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gerade holen wollen - auch, wenn es nur ein Traum gewesen war. „Nenn‘ mich nicht Loulou.“ Einen Moment ärgerte sie sich über ihren Namen, der ihr manchmal würdelos vorkam, weil er sie an eine Toilette erinnerte, an eine Cancan-Tänzerin oder eine von Jane Austens etwas unsympathischeren Romanfiguren, etwa an die launische, in die Poesie vernarrte Louisa Musgrove. Missgelaunt und noch immer nicht ganz wach, hielt sie den Hörer ans andere Ohr und schaute auf die Uhr. „Weiß du, dass es erst halb sieben ist?“
    „Hier bei uns ist es bereits halb zwei mittags. Raus aus den Federn mit dir!“
    „Ach, halt die Klappe, Chris.“ Das Zimmer war kalt und dunkel und erfüllt von einer besonderen Stille, die sie vermuten ließ, dass frischer Schnee gefallen war.
    „Steig in den nächsten Flieger, komm einfach her und hab‘ Spaß mit uns!“
    „Uns? Wen meinst du?“
    „Natürlich mich und Peter. Der bescheuerte Kerl führt gerade Vorstellungsgespräche mit den jungen Männern, die sich bei uns als Lakaien beworben haben. Wir wollen historisch so korrekt wie möglich sein. Er benimmt sich so, als würde er ein Pferdegespann kaufen, und engagiert Typen, die alle gleich groß sind und die gleiche Haarfarbe haben. Das ist wirklich köstlich, Darling. Ein paar Freunde aus London und aus den Staaten werden auch kommen. Ein Journalist, dann Viv, unsere umwerfende Kostümbildnerin, und eine schöne Lady, die uns Manieren beibringen und als Anstandsdame fungieren wird - nicht, dass du eine brauchen würdest, wo du dich doch immer so untadelig benimmst. Außerdem werden ein paar sehr gutaussehende Männer dabei sein.“
    „Klingt wie ein feuchter Schwulentraum. Enge Hosen, hohe Kragen …“
    „Da wir natürlich auch an dich gedacht haben, sind ein paar Jungs hetero. Welche das sind, musst du allerdings selbst rausfinden.“
    Sie setzte sich auf, zog die Decke um ihre Schultern und hoffte, dass der Ofen im Erdgeschoss nicht ausgegangen war. „Mir wäre lieber, sie finden‘s vor mir raus. Ich bin schließlich keine Fremdenführerin, die Leuten hilft, ihre sexuellen Vorlieben zu entdecken.“
    „Und das Haus, Schätzchen! Einfach grandios! Georgianischer Luxus, Originalstuck - allerdings sind die sanitären Anlagen und die elektrischen Leitungen noch nicht auf dem neusten Stand. Mal abgesehen von der Küche, da wurde alles für die Zubereitung köstlicher, historisch originalgetreuer Speisen eingerichtet…“
    „Schweineschmalz und Butter …“
    „Und Eier im Dutzend. Riesige Mengen von Fleisch, die ersten Salate der Saison, exotische Früchte aus den Gewächshäusern - na ja, bis es so weit ist, dauert es wohl noch ein paar Jahre. Momentan kaufen wir die Lebensmittel noch. Komm doch, Darling! Wir brauchen unsere Jane-Austen-Expertin! Als Gegenleistung werden wir deine Augen wieder zum Funkeln bringen.“
    „Ach, ich weiß nicht, was ich tun soll.“ Sie stieg aus dem Bett und huschte auf nackten Füßen durchs Zimmer. Weder Jalousien noch Vorhänge verhüllten die Fenster. Die waren auch nicht nötig, da sich vor dem Fenster nur die Wildnis rund um die schneebedeckten Rocky Mountains befand. „Bis der Schnee taut, muss ich hierbleiben.“
    „Im April ist England einfach wundervoll. Aber komm lieber erst im Juni, dann haben wir genug Personal.“
    „Hör‘ schon auf, du gemeiner Verführer.“
    „So kenne ich dich, mein Mädchen. Peter schickt dir tausend Küsse. Ich muss jetzt Schluss machen. Du denkst darüber nach, versprochen?“
    „Okay.“
    Chris‘ Stimme klang plötzlich ernst. „Lou, er ist nicht mehr da, er ist tot Wir haben ihn auch geliebt. Komm‘ ins Land der Lebenden zurück. Amüsiere dich in unserem kleinen Paradies, stürz‘ dich in ein romantisches Abenteuer. Küsschen, bye!“ Chris beendete das Gespräch mit diesem seltsam fragenden Unterton, der ihr auch schon bei Telefonaten mit anderen Engländern aufgefallen war.
    Lou schlüpfte in ein Paar dicke Socken, dann zog sie einen Pullover und gefütterte Jeans über ihren Pyjama und ging nach unten. Das Herdfeuer brannte nur noch ganz schwach. Mit ein paar Holzscheiten erweckte sie es zu neuem Leben, setzte den Wasserkessel auf und ließ die Hunde hinaus. Die wälzten sich sofort voller Begeisterung im Schnee, als wäre es das erste Mal, dabei hatten sie das doch schon jeden Morgen in den vergangenen fünf Monaten getan.
    Wehmütig griff sie nach einem Foto von Julian und den Hunden, das sie im letzten Sommer gemacht hatte. Julian
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