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Im Palazzo sueßer Geheimnisse

Im Palazzo sueßer Geheimnisse

Titel: Im Palazzo sueßer Geheimnisse
Autoren: Lee Wilkinson
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quasi bestätigt. Wenn sie gewusst hätte, welche Wirkung ein Fremder auf sie haben würde, hätte sie Pauls Ring überhaupt nicht annehmen dürfen.
    Nachdem sie sich sicher war, dass sie ihn nicht heiraten konnte, wollte sie es ihm spontan am Telefon mitteilen. Es war nicht fair, ihn wie einen Narren dastehen zu lassen, und für ihren eigenen Seelenfrieden wollte sie auch klare Verhältnisse.
    Sie hatte schon ihr Handy in der Hand, als sie innehielt. Ehrlich und unduldsam gegenüber jeder Art von Heuchelei, widerstrebte es ihr, ihm nicht die Wahrheit zu sagen – aber sie konnte ihre kurze Verlobung auch nicht so beenden. Sie musste warten, bis sie Paul wiedersah, und es ihm persönlich mitteilen.
    Zuvor aber, sagte Lucy sich, während sie sich aus dem Bett schwang und ins Bad ging, wartet hier ein Job auf dich. Ein Job, auf den du dich sehr gefreut hast.
    Aus heiterem Himmel hatte sie einen Brief von Signor Candiano mit dem Angebot erhalten. In gepflegtem Englisch schrieb er ihr, dass Kevin Roberts sie für die anstehende Aufgabe empfohlen habe. Letzterer lehrte an der Kunstakademie, an der sie studiert hatte, und er kannte auch ihre Londoner Galerie.
    Ihr Glück kaum fassen könnend, wäre sie dem guten Mann, an den sie sich kaum erinnerte, damals am liebsten um den Hals gefallen, weil er ihr zu einer so großen beruflichen Chance verholfen hatte.
    Zwanzig Minuten später ging Lucy im eleganten Hosenanzug, das Haar zu einem Chignon hochgesteckt, nach unten zur Rezeption. Dort bat sie, Pauls Ring im Hotelsafe deponieren zu dürfen, und machte sich, nachdem das erledigt war, mit einem Gefühl der Erleichterung auf den Weg in den Frühstückssaal.
    Der angenehm klimatisierte Raum mit Grünpfanzen und surrenden Ventilatoren war halb leer. Lucy setzte sich neben eine Topfpalme, die wie ein Flüchtling aus der Wüste aussah, aß Ciabattabrötchen mit Kirschkonfitüre und trank dazu zwei Cappuccino, bevor sie aufbrach.
    Draußen empfing sie gleißendes Licht und ein Himmel, der so blau war wie ein Lapislazuli. Obwohl es gerade mal neun Uhr war, brannte die Sonne schon ganz schön heiß, und die Steinplatten auf dem Campo San Pietro in der Nähe des Hotels strahlten eine Backofenhitze aus.
    Lucy folgte den Angaben auf der Wegbeschreibung, die man ihr geschickt hatte, und erreichte die Via Calle Nerone nach ungefähr einer Viertelstunde. Die Straße, die kaum breiter war als eine Gasse und fernab der Touristenroute lag, umgab ein Flair malerischen Verfalls.
    Die angegebene Adresse entpuppte sich als ein schmales Gebäude, das wie ein liebenswürdiger Betrunkener von seinen Nachbarn gestützt wurde. Eine alte Holztür, die in einen schmucklosen Flur führte, stand offen.
    Fasziniert bemerkte Lucy, dass alle Böden, Decken und Wände schiefe Winkel hatten, während sie die wackeligen Stufen zu Signor Candianos Büro hinaufging.
    Oben angekommen, kam er gleich auf sie zu. Ein kleiner, dicklicher, geschniegelter Mann mit dünner werdendem Haar und einem schwarzen Schnurrbart. Obwohl er Lucy in fließendem Englisch begrüßte, machte er einen seltsam unbehaglichen Eindruck und vermied es wiederholt, sie anzusehen.
    Nachdem er sich erkundigt hatte, ob sie einen angenehmen Flug und ein ebensolches Hotel hatte, sagte er plötzlich: „Ich habe noch einen Termin. Am besten, ich nehme Sie direkt mit zum Palazzo , wo Sie arbeiten werden.“
    Lucy, die sich auf ein zähflüssiges Gespräch eingestellt hatte, war überrascht über die Kürze dieser Begegnung. Es hatte fast den Anschein, als ob sie der Kunstagent nicht schnell genug loswerden konnte. Dennoch drehte sie sich gutwillig um und ging ihm voran über die Treppe nach draußen.
    Am Ende der Via Calle Nerone kamen sie zu einem Seitenkanal, und ein paar Schritte weiter lag ein kleines Boot. Nachdem er Lucy hineingeholfen hatte, drehte Signor Candiano den Schlüssel und startete den Motor.
    Während sie in einem Tempo, das dem Wellengang zufolge jenseits der Geschwindigkeitsbegrenzung lag, durch ein wahres Labyrinth schmaler Kanäle brausten, fragte Lucy irgendwann: „Der Palazzo, den sie erwähnten … wie heißt er?“
    Der Mann am Steuerrad schien sie nicht gehört zu haben. Das Einzige, was er einen Moment später sichtlich erleichtert sagte, war: „Da wären wir.“
    Schon glitt das Boot zwischen zwei imposanten Holztoren in ein in die Gebäudewand integriertes Bootshaus. Nachdem sich die Tore hinter ihnen geschlossen hatten, stoppte Signor Candiano den Motor und hielt vor
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