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Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman

Titel: Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman
Autoren: Bastei Lübbe
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Wenn er etwas für sie empfand, würde er entsprechend handeln, und zusammen würden sie sich eine Zukunft aufbauen. Und wenn seine Liebe nicht stark genug war, würde sie weiterziehen. Es gab ein Haus in einem ruhigen Viertel mit vielen weichen Schatten. Das war ihr Schicksal, und sie würde es in die eigenen Hände nehmen.
     
    Raymond stand neben Adeles Bett. Er nahm ihre Hand und streichelte ihr die aufgerissene Haut und die schlanken Finger.
    »Ruf sie, Raymond.« Madame, mehr Schatten als wirkliche Gestalt, stand am Fenster. »Ruf sie zurück. Sie kann dich hören.«
    »Adele.« Raymond beugte sich über sie und flüsterte ihren Namen. Als er zum Fenster sah, war Madame verschwunden. »Adele, können Sie mich hören?«
    Laut dem Doc bestand die Gefahr, dass sie Finger und Zehen verlor. Es blieb abzuwarten, wie weit sie wieder genesen würde. »Adele«, flüsterte er.
    Das Licht einer Lampe wärmte ihr Gesicht. Eine Sinnestäuschung, wusste Raymond, trotzdem war er froh darum. Behutsam berührte er ihre Wange.
    »Adele.«
    Sie schlug die Augen auf, ihr Blick fand ihn. Verwirrung legte sich auf ihre Miene. »Was hab ich getan, ich?« Sie wollte sich aufrichten, aber Raymond drückte sie behutsam zurück ins Bett.
    »Nicht«, flüsterte er. »Sie sind sehr krank. Rühren Sie sich nicht.«
    »Meine Kinder.« Tränen traten ihr in die Augen.
    »Morgen werden Vater Finley und ein paar Männer die Kinder und Rosa zur Kirche bringen und auf dem Friedhof bestatten.«
    Tränen liefen ihr über die Schläfen. Ihre Hand, so schwach, drückte seine Finger.
    »Sie wurden vergiftet, Adele.«
    Sie sah zum Fenster und war von der Finsternis kurz wie versteinert.
    Raymond strich ihr über den Kopf. »Bernadette ist tot.«
    Adele schloss die Augen. Einen Moment glaubte er, sie wäre eingeschlafen. »Henri war der Vater meiner Kinder, aber ich hab ihn nicht umgebracht.«
    Raymond suchte nach etwas, was er ihr sagen konnte, etwas, an das sie sich wie an einem Rettungsring festhalten konnte. Sie hatte alles, was sie jemals geliebt hatte, verloren. Ihre eigene Schwester hatte versucht, sie umzubringen. Dann fiel es ihm ein. »Ich hab Dugas getroffen. Es geht ihm gut.«
    Ihre Augen zuckten, einmal, zweimal, dann schlug sie sie auf.
    »Armand.« Ihre Stimme war kaum stärker als der im trockenen Laub wispernde Wind. Dann fielen ihr wieder die Augen zu.
    Er legte ihre Hand auf die Decke und erhob sich. »Schlafen Sie wohl, Adele.«
    Leise schloss er hinter sich die Tür und ging durchs Haus und hinaus in den Garten. Winterliche Stille lag über der Stadt. Er ging durch die Straßen, seine Schritte hallten vom Gehweg wider, und er wunderte sich, wie schnell und folgenlos der nachmittägliche Gewaltausbruch vor wenigen Tagen abgeebbt war. Er ging am Sheriffbüro vorbei, am Kino, am Drugstore. Seine Schritte führten ihn zu Florence’ Haus. Er hatte keine Ahnung, ob sie ihn willkommen heißen würde. Er hatte ihr so wenig von sich gegeben, da so vieles in ihm tot gewesen war. Adele hatte ihn einiges gelehrt. Er hatte sich für das Leben entschieden. Trotz der Schmerzen, die sein Rückgrat hinunterkrochen, trotz aller Verluste und trotz der vielen Toten wollte er leben.
    Er wandte sich zur Main Street. Bevor er irgendetwas unternahm, wollte er sich waschen. Florence mochte ordentliche Männer. Er wollte sauber sein, bevor er sie davon zu überzeugen versuchte, ihm eine weitere Chance zu geben.
    John und Chula kamen ihm Arm in Arm entgegen. Er hatte Chula nie glücklicher gesehen. »Sie sind aber schnell nach Baton Rouge und zurück gefahren«, sagte er.
    »Ja, schon erstaunlich, was ein Mann alles kann, wenn er für eine Frau Gefühle hegt.«
    Raymond holte seine Packung Zigaretten aus der Tasche und schüttelte John eine heraus.
    »Danke.« John nahm die Streichhölzer und zündete sich die Zigarette an. »Eine miserable Angewohnheit, Thibodeaux. Ich werde sofort damit aufhören, wenn Chula und ich uns das Jawort gegeben haben. Ich wollte Sie bloß fragen, ob Sie mein Trauzeuge sein wollen.«
    Das Angebot kam überraschend für Raymond. »Das ist nicht Ihr Ernst?«
    »Ich kenn keinen Besseren dafür als Sie.« Er patschte Raymond auf den Arm. »Wir haben heute einen Anwalt beauftragt, um die Adoption von Sarah Bastion in die Wege zu leiten. Sie schläft im Moment bei Thomasina.«
    »Sieht so aus, als würden Sie also eine Frau und eine Familie bekommen.« Raymond spürte einen Kloß im Hals. »Herzlichen Glückwunsch.«
    »Wir haben
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