Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead

Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead

Titel: Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead
Autoren: Ian Rankin
Vom Netzwerk:
überprüft worden, erinnerte sich Rebus, und zwar unter dem Vorwand, sie mit Erkennungsmarken auszustatten. Die würden sie brauchen, um später die Absperrungen passieren zu können. Doch wie Siobhan schon bemerkt hatte, herrschte hier eine unheimliche Ruhe. Nur ein paar Leute beim Einkaufen und ein Schreiner, der Fenster auszumessen schien, um sie anschließend mit Brettern zu vernageln. Die Autos waren schmutzige Geländewagen, die vermutlich mehr Zeit auf Feldwegen als auf Straßen zubrachten. Eine Fahrerin trug sogar ein Kopftuch, was Rebus schon lange nicht mehr gesehen hatte. Nach wenigen Minuten hatte er das Ende des Dorfes erreicht, wo es Richtung A9 weiterging. Rebus wendete und achtete diesmal auf Hinweisschilder. Das Schild, das er suchte, befand sich neben einem Pub und wies eine kleine Straße hinunter. Er bog ab und fuhr das Sträßchen entlang, vorbei an Hecken und Einfahrten, dann an einer neueren Wohnsiedlung. Die Landschaft öffnete sich vor ihm, in der Ferne waren Hügel zu erkennen. Im Handumdrehen hatte er den Ortsausgang passiert, rechts und links der Straße gepflegte Hecken, die ihre Spuren auf seinem Auto hinterlassen würden, wenn er einem Traktor oder Lieferwagen ausweichen müsste. Zu seiner Linken erstreckte sich Wald, und einem weiteren Schild entnahm er, dass sich hier der Clootie Well befand. Er kannte das Wort von Clootie Dumpling, einem klebrigen, in Wasserdampf gekochten Dessert, das seine Mutter manchmal zubereitet hatte. Er erinnerte sich, dass er, was Geschmack und Beschaffenheit betraf, dem Plumpudding ähnelte. Dunkel und widerlich süß. Sein Magen protestierte leicht, und ihm fiel ein, dass er seit Stunden nichts mehr gegessen hatte. Im Hotel hatte er sich nur kurz aufgehalten, leise ein paar Worte mit Chrissie gewechselt. Sie hatte ihn umarmt, so wie morgens im Haus schon. In all den Jahren, die er sie nun kannte, waren es nicht viele Umarmungen gewesen. Anfangs hatte er sogar ein Auge auf sie geworfen; unter diesen Umständen eine merkwürdige Vorstellung.
    Anscheinend hatte sie das gespürt. Bei ihrer Hochzeit war er Trauzeuge gewesen, und während eines Tanzes hatte sie ihm neckisch ins Ohr gepustet. Später hatte Rebus bei den wenigen Begegnungen, nachdem sie und Mickey sich getrennt hatten, für seinen Bruder Partei ergriffen. Und als Mickey Ärger bekam und im Gefängnis landete, hatte Rebus Chrissie und die Kinder weder angerufen noch besucht. Allerdings hatte er auch Mickey nicht besonders oft besucht, weder im Gefängnis noch danach.
    Die Geschichte ging noch weiter: Als Rebus und seine Frau sich trennten, gab Chrissie ausschließlich ihm die Schuld. Sie war immer gut mit Rhona ausgekommen; blieb nach der Scheidung mit ihr in Kontakt. So lief es eben in einer Familie. Taktik, Kampagnen und Diplomatie: Da hatten es die Politiker vergleichsweise leicht.
    Im Hotel hatte Lesley es ihrer Mutter gleichgetan und ihn auch umarmt. Kenny hatte einen Augenblick gezögert, bevor Rebus den jungen Mann aus seiner Not befreite und ihm die Hand hinstreckte. Er fragte sich, ob es irgendwelche Streitereien geben würde; bei Beerdigungen war das ja so üblich. Mit der Trauer gingen Vorwürfe und Ressentiments einher. Nur gut, dass er gefahren war. Wenn es zu Auseinandersetzungen kam, teilte Rebus erheblich stärker aus, als sein ohnehin beträchtliches Gewicht vermuten ließ.
    Gleich neben der Straße befand sich ein Parkplatz. Er sah aus wie neu angelegt, Bäume waren gefällt worden, auf dem Boden lagen überall Rindenstücke herum. Platz genug für vier Autos, aber es stand nur eins da. Siobhan Clarke lehnte mit verschränkten Armen dagegen. Rebus trat auf die Bremse und stieg aus.
    »Nette Gegend«, sagte er.
    »Ich stehe schon hundert Jahre hier«, erwiderte sie.
    »Hätte nicht gedacht, dass ich so langsam gefahren bin.«
    Sie verzog nur leicht den Mund und führte ihn, die Arme immer noch vor der Brust verschränkt, in den Wald. Sie war formeller gekleidet als sonst: knielanger schwarzer Rock und schwarze Strumpfhose. Ihre Schuhe sahen schmutzig aus, weil sie zuvor schon einmal diesen Pfad entlanggegangen war.
    »Ich habe gestern das Schild entdeckt«, erklärte sie. »Das an der Abzweigung von der Hauptstraße. Da habe ich beschlossen, mir das mal anzuschauen.«
    »Wenn die Alternative Glenrothes war …«
    »Drüben auf der Lichtung steht eine Hinweistafel mit ein paar Informationen über diesen Ort. Im Lauf der Jahre müssen hier allerhand unheimliche Dinge passiert
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher