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Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead

Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead

Titel: Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead
Autoren: Ian Rankin
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Pferdeschwanz zusammen, und ihre Mutter trug meist kaftanartige Kleider. Siobhan dachte an das, was sie vorher zu Rebus gesagt hatte: Sie sind genau die Art Polizist, vor der meine Eltern mich immer gewarnt haben. Inzwischen glaubte ein Teil von ihr, dass sie hauptsächlich deshalb zur Polizei gegangen war, weil sie gespürt hatte, dass ihnen das gegen den Strich gehen würde. Nach der ganzen Fürsorge und Zuneigung, die sie ihr hatten zuteil werden lassen, musste sie sich einfach auflehnen. Rache für die verschiedenen Umzüge, die immer neuen Schulen, die der Lehrberuf ihrer Eltern mit sich brachte. Rache, bloß weil es in ihrer Macht stand. Als sie ihnen zum ersten Mal davon erzählte, hätten ihre Blicke sie beinahe zum Rückzug bewogen. Aber das wäre ein Zeichen von Schwäche gewesen. Sie hatten sie unterstützt, das schon, sie aber gleichzeitig darauf hingewiesen, dass sie bei der Polizei ihre Fähigkeiten vielleicht nicht optimal zur Geltung würde bringen können. Grund genug für sie, sich auf die Hinterbeine zu stellen.
    So war sie Polizistin geworden. Nicht in London, wo ihre Eltern wohnten, sondern in Schottland, das sie eigentlich gar nicht kannte, bevor sie dort auf die Polizeischule ging. Ein letzter Herzenswunsch ihrer Mutter und ihres Vaters: »Überall, nur nicht in Glasgow.«
    Glasgow – mit seinem Raubein-Image, seiner Messerkultur und der tiefen Kluft zwischen den Konfessionen. Und dennoch, wie Siobhan festgestellt hatte, eine Stadt, in der man wunderbar bummeln konnte. Manchmal fuhr sie mit Freundinnen hin – reine Weibernachmittage, die regelmäßig dazu führten, dass sie in irgendeinem kleinen Hotel übernachteten und das Nachtleben testeten, dabei jedoch einen großen Bogen um Bars mit Rausschmeißern machten; das war eine Regel, über die sie und John Rebus sich einig waren. Edinburgh hingegen hatte sich inzwischen als todlangweilig erwiesen, schlimmer, als ihre Eltern es sich je hatten vorstellen können.
    Allerdings würde sie ihnen das nie erzählen. Bei ihren Sonntagstelefonaten wich sie den meisten Fragen ihrer Mum aus und stellte stattdessen selbst welche. Sie hatte ihren Eltern angeboten, sie am Bus abzuholen, aber sie meinten, sie brauchten Zeit, um ihr Zelt aufzuschlagen. Als sie an einer Ampel halten musste, ließ die Vorstellung sie schmunzeln. Fast sechzig, die beiden, und bastelten an einem Zelt herum. Im Jahr zuvor waren sie in den vorzeitigen Ruhestand gegangen. Sie besaßen ein ziemlich großes Haus in Forest Hill, dessen Hypothek bezahlt war. Fragten sie dauernd, ob sie Geld brauche …
    »Ich bezahle euch ein Hotelzimmer«, hatte sie ihnen am Telefon angeboten, aber sie waren standhaft geblieben. Während sie an der Ampel anfuhr, fragte sie sich, ob das wohl eine Form von Demenz war.
    Ohne die orangefarbenen Verkehrshütchen zu beachten, parkte sie auf The Wisp und legte eine Polizeivisitenkarte hinter die Windschutzscheibe. Das Geräusch ihres Motors im Leerlauf hatte einen Sicherheitsbeamten angelockt. Der schüttelte den Kopf und deutete auf die Visitenkarte. Dann fuhr er sich mit der Hand quer über die Kehle und nickte zur nächstgelegenen Siedlung hin. Siobhan entfernte die Visitenkarte, ließ das Auto aber, wo es war.
    »Hiesige Banden«, erklärte der Sicherheitsbeamte. »So eine Karte ist für die ein rotes Tuch.« Er steckte die Hände in die Taschen, was seine bereits beachtliche Brust noch breiter wirken ließ. »Was führt Sie denn her, Officer?«
    Sein Kopf war rasiert, aber er hatte einen dunklen Vollbart und buschige Augenbrauen.
    »Ein Besuch«, antwortete Siobhan und zeigte ihm ihren Ausweis. »Ein Ehepaar namens Clarke. Ich muss mit ihnen reden.«
    »Kommen Sie rein.« Er führte sie zu einemTor in der Umzäunung. Im Kleinen erinnerte das Ganze an die Sicherheitsvorkehrungen um Gleneagles. Es gab sogar eine Art Wachturm. Entlang des Zauns stand ungefähr alle hundert Meter ein Wachposten. »Hier, ziehen Sie das an«, sagte ihr neuer Freund und reichte ihr ein Armband. »Dann fallen Sie weniger auf. So haben wir unsere fröhliche Camperschar besser im Griff.«
    »Im wahrsten Sinn des Wortes«, meinte sie und nahm das Band entgegen. »Wie läuft es denn bisher?«
    »Die einheimischen Jugendlichen mögen es nicht besonders. Sie haben versucht reinzukommen, aber das ist auch alles.« Er zuckte mit den Schultern. Sie gingen einen metallenen Fußweg entlang, den sie für einen Augenblick verließen, um einem kleinen Mädchen auf Rollschuhen Platz zu machen,
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