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Im Namen der Engel: Die überirdischen Fälle der Bree Winston 1 (German Edition)

Im Namen der Engel: Die überirdischen Fälle der Bree Winston 1 (German Edition)

Titel: Im Namen der Engel: Die überirdischen Fälle der Bree Winston 1 (German Edition)
Autoren: Mary Stanton
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unbekannter Blumen nach unten, und Bree hörte, wie winzige Füße über den Boden huschten. Vielleicht eine Katze oder ein kleiner Hund. Was den Duft anging, so empfand ihn Bree als äußerst angenehm. Möglicherweise Rosen … und noch etwas anderes. Nachdem sie eine Weile dagestanden hatte, um abzuwarten, ob Lavinia ihr von oben doch noch etwas zurufen würde, öffnete sie die Haustür und trat hinaus.
    Die Brise draußen hatte zugenommen und wehte jetzt, einen fauligen Verwesungsgeruch vom Friedhof herantragend, aus einer anderen Richtung. Bree blieb entsetzt stehen und nieste herzhaft. Kein Wunder, dass Lavinia die Luft hier parfümierte. Der Gestank war ja abscheulich. Seltsam, dass sie ihn nicht schon vorher bemerkt hatte.
    Unentschlossen stand sie auf der obersten Stufe, plötzlich überzeugt, dass es eine absolut dumme Idee gewesen war, diese Räume zu mieten. Wenn Onkel Franklins Klienten nicht ausschließlich aus Geruchsgeschädigten bestanden, würde hier niemand ein zweites Mal herkommen. Und ihre Klienten würden ziemlich kurzsichtig sein müssen, um sich nicht von dem verfallenen Friedhof abschrecken zu lassen. Die Historical Society hätte sicher nichts dagegen, wenn sie hier Unkraut jätete und neue Erde aufschüttete, würde ihr aber schwerlich gestatten, das Grundstück freundlicher zu gestalten, indem sie die Gräber auf einen gewöhnlichen Friedhof verlagerte.
    Da fiel ihr Josiah Pendergast ein. Lavinia war der Ansicht, dass er auf keinen gewöhnlichen Friedhof gehörte. »Das ist der einzig richtige Ort für eine solche Bestie.«
    Unsinn. Leichen bewohnten einen Ort nicht, sie nahmen ihn nur ein. Wie Möbel. Höchst unattraktive Möbel, wenn man es vom Standpunkt potenzieller Klienten aus betrachtete, und überdies Möbel, die man nicht auf den Sperrmüll werfen konnte.
    Andererseits war die Lage des Büros sehr ruhig. Es war so weit von der Bay Street entfernt, dass der Stadtlärm und die Geräusche vom Kai lediglich als fernes Grollen zu vernehmen waren. Und das war zweifellos ein Pluspunkt.
    Doch der Verwesungsgeruch hüllte sie ein wie ein grässlicher Umhang. Bree kniff sich die Nase zu, um festzustellen, ob das half. Nein. Der Gestank war überall. Die ruhige Lage reichte nicht aus. Das würde nicht gehen. Sie drehte sich zur Haustür zurück und streckte schon die Hand aus, um anzuklopfen. Sie würde Mrs. Mather sagen, dass es ihr leidtäte. Sicher würde sie jemand anderen für die Büroräume finden.
    In diesem Augenblick zerriss ein Schmerzensschrei die Luft.

Quält seinen Geist nicht!
    Shakespeare, König Lear
    Bree erstarrte mit erhobener Hand. Der Schrei erklang von Neuem. Beinahe sofort war Bree klar, dass es sich nicht um den Schrei eines Menschen, sondern um den eines leidenden Tieres handelte. Und er kam aus der Richtung des abgestorbenen Magnolienbaums. Im Nu war sie die Treppe runter und rannte auf die Grabsteine zu.
    Das Geheul ging in ein Winseln über. Bree machte jäh halt, um erst einmal tief durchzuatmen und sich zu beruhigen. Es war unklug, überstürzt zu handeln, was auch immer da vor sich gehen mochte. Sie starrte konzentriert in Richtung des Magnolienbaums. Er war alt und hatte kaum noch Blätter, der Stamm war so breit wie ihre Schultern. Die schrecklichen Laute kamen dahinter hervor, dessen war sie sich sicher. Sie setzte ihre Aktentasche ab und schlüpfte rasch aus ihrer Kostümjacke.
    »Hey!«, schrie sie. »Hey!«
    Das Winseln verstummte.
    In diesem Augenblick war das Rascheln welker Blätter zu hören. Sie fuhr zusammen und nahm undeutlich eine in rauchigen Nebel gehüllte, dürre Gestalt wahr, die ihr den Rücken zukehrte. Bree blinzelte mehrmals hintereinander und rieb sich die Augen.
    »Sie da!«, rief Bree. »Warten Sie mal einen Moment!«
    Als Brees Stimme ertönte, drehte sich die Gestalt um. Bree erhaschte einen flüchtigen Blick auf ein weißes Gesicht, dessen offener Mund sich zu einem entsetzlichen Grinsen verzogen hatte. Der Geruch nach verwesenden Leichen hatte zugenommen. Unwillkürlich trat Bree einen Schritt zurück. Sie hörte einen dumpfen Schlag, dann noch einen, als werde mit einem Baseballschläger oder einem Stock auf Fleisch eingeprügelt. Das Tier schrie erneut auf. Bree stieß einen Wutschrei aus und stürzte in Richtung des Baums.
    Die Schreie verstummten. Dann sprang die Gestalt – wer oder was auch immer es sein mochte – über den schmiedeeisernen Zaun und verschwand hinter dem Lagerhaus aus Ziegelstein, das sich auf dem
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