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Im Land der weissen Rose

Im Land der weissen Rose

Titel: Im Land der weissen Rose
Autoren: Sarah Lark
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schüttelte
Tonga.
    Im Gegensatz zu Marama beobachtete der Junge, der den Häuptling
hergeführt hatte, den Kampf voller Zorn und Fassungslosigkeit.
Für ihn war dies hier keine läppische Schlägerei,
sondern ein Machtkampf zwischen Maoris und pakeha –
Stammeskrieger gegen Unterdrücker. Und das Mädchen hatte
Recht, diese Art der Kriegführung stand einem Häuptling
nicht an! Tonga durfte sich nicht raufen wie ein Knabe. Und dann
unterlag er auch noch! Er war im Begriff, den letzten Rest seiner
Würde zu verlieren ... Der Junge konnte das nicht zulassen. Er
hob den Speer.
    Â»Nein! Nein, Junge, nein! Paul!« Marama schrie auf und
wollte dem jungen Maori in den Arm fallen. Doch es war zu spät.Paul
Warden, der hoch aufgerichtet über seinem bezwungenen Gegner
kauerte, brach zusammen, die Brust von einem Speer durchbohrt.
    Â 

16
    James McKenzie pfiff vergnügt vor sich hin. Die Mission, die
vor ihm lag, war zwar heikel, aber heute gab es nichts, was seiner
guten Stimmung Abbruch tat.Er war nun seit zwei Tagen zurück in
den Canterbury Plains, und seine Wiedervereinigung mit Gwyneira hatte
keine Wünsche offen gelassen. Es war, als hätte es all die
Missverständnisse und die vielen Jahre nicht gegeben, die seit
den Zeiten ihrer damals noch so jungen Liebe vergangen waren. James
musste jetzt noch darüber schmunzeln, wie sehr Gwyn sich damals
bemüht hatte, auf keinen Fall von Liebe zu reden! Inzwischen tat
sie das ganz ungeniert, und auch sonst war von der Prüderie der
walisischen Prinzessin nichts mehr zu spüren.
    Vor wem sollte Gwyn sich auch schämen? Das große Haus
der Wardens gehörte zurzeit allein ihr und ihm – es war
seltsam,das Haus nicht als kaum geduldeter Angestellter zu betreten,
sondern davon Besitz zu ergreifen. Von den Sesseln im großen
Salon, den Kristallgläsern, dem Whiskey und den edlen Zigarren
des Gerald Warden. Noch immer fühlte James sich in der Küche
und den Ställen am ehesten heimisch – und hier verbrachte
schließlich auch Gwyneira die meiste Zeit. Nach wie vor gab es
kein Maori-Personal, und die weißen Viehhüter waren zu
teuer und vor allem zu stolz, um einfache Arbeiten zu erledigen.
Gwyneira schleppte das Wasser also selbst,erntete Gemüse im
Garten und suchte Eier im Hühnerstall. Frischen Fisch und
Fleisch hatte sie kaum noch; zum Fischen fehlte Gwyn die Zeit, und
den Hühnern den Hals umzudrehen, brachte sie nicht über
sich. Deshalb war die Speisekarte abwechslungsreicher geworden, seit
James bei ihr war. Er freute sich, ihr das Leben zu erleichtern, auch
wenn er sich in ihrem mädchenhaft wirkenden Schlafzimmer noch
immer wie ein Gast fühlte. Gwyneira hatte ihm erzählt,
Lucas habe die Zimmer für sie gestaltet. Obwohl die verspielten
Spitzenvorhänge und die zierlichen Möbel nicht wirklich
Gwyns Stil waren, hielt sie wie zum Andenken an ihren Mann daran
fest.
    Dieser Lucas Warden musste ein seltsamer Mensch gewesen sein! Erst
jetzt merkte James, wie wenig er ihn gekannt hatte und wie nah die
boshaften Bemerkungen der Viehhüter damals der Wahrheit gekommen
waren.Aber irgendetwas in Gwyneira hatte Lucas doch geliebt oder
zumindest respektiert. Und auch Fleurettes Erinnerungen an ihren
vermeintlichen Vater waren voller Wärme. James begann, Bedauern
und Mitgefühl für Lucas zu empfinden. Ein guter, wenn auch
schwacher Mensch, geboren zur falschen Zeit und am falschen Ort.
    James lenkte sein Pferd in Richtung des Maori-Dorfes am See.
Eigentlich hätte er auch zu Fuß dorthin gehen können,
doch er kam in offizieller Mission, sozusagen als Gwyneiras
Unterhändler, und fühlte sich sicherer – und vor
allem wichtiger – auf dem vierbeinigen Statussymbol der pakeha.
Zumal ihm sein Pferd sehr gut gefiel. Fleurette hatte es ihm
geschenkt: ein Sohn ihrer Stute Niniane mit einem Araberblut
führenden Reithengst.
    Eigentlich hatte McKenzie erwartet, schon früher zwischen
Kiward Station und dem Maori-Dorfauf eine Straßensperre zu
stoßen. McDunn hatte schließlich so etwas berichtet, und
auch Gwyn ärgerte sich darüber, dass man versuchte, sie von
der Straße nach Haldon abzuschneiden.
    Tatsächlich aber kam James unbehelligt ins Dorf. Er passierte
eben die ersten Gebäude, und das große Versammlungshaus
kam bereits in Sicht. Doch die Stimmung im Lager war seltsam.
    Nichts von der herausfordernden, offenen Abwehr,
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