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Im Kinderzimmer

Im Kinderzimmer

Titel: Im Kinderzimmer
Autoren: Frances Fyfield
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immer noch eine Reihe Dinge, die sie mit Fug und Recht ihr eigen nennen konnte. Die bunte Tagesdecke aus Seide etwa
    – von der konnte sie immer sagen: Katherine, so ungeschickt bist du ja gar nicht, immerhin hast du dieses Kunstwerk geschaffen. Alles bei ihren zahllosen Jobs in Läden und an Ständen erbeutete Restpo-sten, in gleichmäßige Rechtecke geschnitten und zu diesem unglaublichen, schillernd blaugrünen Bettüberwurf verarbeitet. Katherine erlaubte sich einen Moment des Selbstlobs. Wie war es möglich, daß sie in den finanziell knappen Zeiten, den Zeiten abgebrochener Aus-14
    bildungen, für die sie nie die rechten Voraussetzungen mitzubringen schien, den Zeiten der mit Mary geteilten Wohnung, den Tagen der kurzlebigen Jobs in künstlerisch ambitionierten Boutiquen, deren Ambiente sie genossen hatte, ohne der Arbeit recht gewachsen zu sein, derartige Mengen Seide hatte zusammenraffen können. »Krä-
    merseele«, hatte Mary gesagt – halb mißbilligend, halb bewundernd.
    »Wählerisch in deiner Sammelwut.«
    Aus nichts wird etwas – in mühsamer Kleinarbeit. Ob’s an der lük-kenhaften Bildung lag oder ihrer Schusseligkeit, Katherine wußte, daß sie keinerlei analytischen Verstand besaß, und bei ihrer kurzen Besinnungspause auf der »mühsamen Kleinarbeit« in Gestalt der Tagesdecke begriff sie mit Schrecken, daß »aus nichts wird etwas«
    eine sehr treffende Beschreibung ihrer selbst an diesem Morgen wäre und daß, sollte sie in diesem Moment sterben, die Worte einen passenden Spruch für ihren Grabstein abgäben. An der Wand gegenüber hing in einem Gesso-Rahmen ein Stilleben: wild drängelnde Anemo-nen in einer Vase. Das Bild hatte sie ausgesucht; welch ungeheures Glück sie doch hatte, solch wunderschöne Dinge wählen zu dürfen, mit denen sie ihr Leben schmückte. Das mahnte zu Demut und Bescheidenheit, dazu, sich Davids Kälte, die Ungeduld, die auf sie nie-dergefahren war wie ein Peitschenhieb, nicht zu sehr zu Herzen zu nehmen. Es waren bevorstehende Pflichtbesuche, die ihn so ver-stimmten, den geliebten David. Noch mußte sie den »geliebten David« heraufbeschwören, während ihre Finger über die fein säuberlich gereihten Nähte des Bettüberwurfs strichen und sie sich selbst – dra-stische, aber notwendige Maßnahme – in Erinnerung rief: »Ich habe dich gemacht«, sagte sie zu der Tagesdecke. »Bist du nicht herrlich!«
    Derlei laut verkündete Liebeserklärungen an Dinge waren für Katherine nicht ungewöhnlich, doch was für sie lediglich eine Bekundung ihrer Freude an den Dingen war, wirkte auf andere exzentrisch und befremdlich. Die Angewohnheit rührte von dem Bedürfnis her, sich selbst Bestätigung zu geben und Mut zuzusprechen, da es sonst niemand tat. »Ich habe dich erschaffen, und David hat mich erschaffen.« Nein, das stimmte so nicht ganz. Eher konnte man sagen, sie war wie das Stilleben gewesen, einfach vorhanden, bereit, ausgewählt zu werden, vielleicht von einem schönen Zuhause träumend.

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    Eine Prinzessin in Erwartung des passenden Prinzen, doch ohne die Einwilligung des Vaters erwirken zu müssen. Die ungewohnte In-nenschau förderte weitere Erinnerungen, weitere Dankbarkeit zutage.
    Wenn David wütend war und kalt zu ihr wie heute morgen, dann suchte sie öfter Zuflucht in Tagträumereien. Das war zwar banal, es war sentimental, das wußte sie, doch die romantischen Rückblenden wirkten wie Balsam. Sie blickte also zurück auf sich selbst vor fünf Jahren, sah sich am Messestand sitzen und nähen und auf die Waren eines Mannes mit dem unglaubwürdigen Namen Claud aufpassen, der die ausgestellte Seide importierte. Da saß sie also, zwischen den Fingern den Stoff eben der Tagesdecke, die sie jetzt streichelte, ihr Anblick ein hübsches Pendant zu dem hübschen Stand – für sagen-hafte zwei Pfund Stundenlohn. Architekten, Inneneinrichter, Groß-
    händler schlenderten durch die Reihen und sahen sich um. Gekauft wurde kaum, aus diesem Grund hatte Claud den Stand auch beden-kenlos ihr überlassen und war essen gegangen, ausgiebig essen, wie es eben die sinnenfrohe Art Clauds war. Auf die gleiche Art ging er mit der willfährigen, pro forma als Assistentin engagierten Katherine gern ins Bett. Katherine war, das gesenkte Gesicht vom langen Haar umrahmt, ganz in die Arbeit an der Tagesdecke vertieft gewesen, jedoch zugleich darauf gefaßt, Fragen über die Seidenstoffe zu beantworten. Ein Mann war gekommen, mit keinem anderen vergleich-bar, hochgewachsen,
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