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Im Funkloch

Im Funkloch

Titel: Im Funkloch
Autoren: Falko Löffler
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verschlucke mich fast, weil ich es beinahe schon wieder gesagt hätte. »Eigentlich kommen wir aus der Rhön, aber jetzt sind wir hier.« Für den letzten Teil des Satzes könnte ich mich schlagen.
    Immerhin – niemand kichert.
    Neben mir schaut Passlewski auf. »Gut, Samuel. Ihr werdet noch viele Fragen an ihn haben, also bemüht euch, ihm beim Einstieg hier zu helfen, ja? Dann such dir bitte einen Platz.«
    Ich schaue mich um, aber nirgends ist was frei. Während ich durch die Reihen gehe, wirke ich wahrscheinlich so locker wie ein Kaninchen vor der Schlange. Endlich entdecke ich einen freien Stuhl.
    Auf dem Platz daneben sitzt ein Typ. Wobei man das kaum sitzen nennen kann – er hat die Beine ausgestreckt und übereinandergeschlagen, die Arme hat er vor der Brust gekreuzt. Er starrt zur Seite, aus dem Fenster. Seine Kleider – Jeans und ein enger, roter Pulli – sind dreckig, und er hat kurze, blonde Haare. Als ich näher komme, reagiert er nicht.
    Sonst ist kein Platz frei, also setze ich mich neben ihn.
    Er zeigt immer noch keine Regung, und das ändert sich auch nicht während des Unterrichts. Passlewski doziert über das 18. Jahrhundert, der Typ rührt sich nicht und wird auch nicht vom Lehrer aufgefordert, sich zu beteiligen.
    Als es zur Pause klingelt, steht der Typ auf und geht. Mir fällt jetzt erst auf, dass er nicht einmal eine Tasche dabeihat.
    Das ist meine erste Begegnung mit Lucas.

Unter Gymmis
    Kevin und ich ließen die Horden vorstürmen. Wir hatten beide keine Lust, uns an dem Gedrängel zu beteiligen. Als wir in den zweiten Stock kamen, waren schon endlose Diskussionen zu hören, wer mit wem unbedingt in ein Zimmer wollte – und mit wem nie im Leben.
    »Ein Gutes hat die Regel«, sagte Kevin. »Mit Lucas landen wir auf keinen Fall in einem Zimmer.«
    »Stimmt. Aber die beiden Gymmis, die mit ihm auf die Bude müssen, sind zu bemitleiden.«
    Als wir den Flur entlanggingen, linsten wir in die Räume. Einen davon hatte Lucas mit seinen drei Kumpels Dennis, Marcel und Jan in Beschlag genommen, und die vier schienen davon auszugehen, dass sie darin bleiben durften, denn sie hatten sich schon häuslich eingerichtet. Ich bezweifelte kaum, dass sie damit durchkamen, schließlich war es Passlewski gewesen, der die Regel aufgestellt hatte. Wenn einer ihn dazu bringen konnte, sie zu brechen, dann Lucas. Vielleicht war es auch besser so . . . zumindest für die Gymmis.
    Am Ende des Flurs war in dem Zimmer auf der linken Seite noch Platz, und zwei Gymnasiasten waren schon drin. Kevin und ich schauten uns kurz an und er zuckte mit den Schultern. Wir kannten sowieso niemanden der anderen näher.
    Die beiden Typen sahen sich irgendwie ähnlich. Beide trugen randlose Brillen, hatten kurze, schwarze Haare und waren dünn, fast schmächtig. »Seid ihr Brüder?«, fragte Kevin. Der Gedanke war mir auch gekommen.
    Einer der beiden war gerade dabei, seine Kleider in den Schrank zu räumen, und warf uns nur einen Seitenblick zu. Der andere grinste schief und kam zu uns. »Nee, hören wir öfter. Ich bin Olaf, das ist Noel.« Er streckte mir die Hand hin und ich starrte sie verdutzt an. Schließlich ergriff ich sie. Meine Güte, war der förmlich . . .
    Als er auch Kevin die Hand schüttelte, sagte Olaf: »Und bevor du fragst: Wir sind auch nicht schwul.«
    Ich sah, dass Kevin ertappt rot anlief. »Ich hab nicht . . .«, begann er schwach, aber Olaf winkte ab.
    »Ist doch egal. Wir würden dann die beiden Betten nehmen.« Er deutete zu den Betten an der linken Wand.
    »Klar«, meinte ich und zuckte mit den Schultern. »Ein Glück, dass es keine Etagenbetten sind. Die hasse ich wie die Pest.«
    Wir legten die Taschen auf die Betten und begannen, unsere Sachen in die Schränke zu räumen. Kevin und Olaf waren ins Gespräch gekommen. Noel hatte schon fertig ausgepackt und holte ein Notebook mit riesigem Display aus seinem Rucksack – mindestens 17 Zoll. Er setzte sich damit an den Tisch und klappte es auf. »Wow«, entfuhr mir. »Mit einem Nintendo gibst du dich nicht zufrieden, oder?«
    Noel schaute mich verständnislos an.
    Ich deutete auf das Gerät. »Zocken, oder?«
    Er schnaufte abfällig. »Ich muss was für Kunden machen. Kann ich ja nicht eine Woche liegen lassen . . .«
    Kevin hatte das Notebook bemerkt und kam zu uns. Wahrscheinlich konnte er auswendig sagen, welche Ausstattung dieses Modell hatte. »Was denn für Kunden?«, fragte er.
    Noel schaltete den Computer ein und die Festplatte summte. »Ich
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