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Im Dienst des Seelenfängers

Titel: Im Dienst des Seelenfängers
Autoren: Glen Cook
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Geistestherapie, weil er davon ausging, daß das längere Zusammensein mit der Lady meinen Verstand durcheinander gebracht hatte. Er hatte recht. Das hatte es auch. Es hatte mir zudem die Augen geöffnet, und das versuchte ich
    ganz deutlich herauszustreichen, als ich meinen Tagesablauf unter Aufbietung der Fähigkeiten
wiedergab, die ich mir beim Niederkritzeln dieser Annalen angeeignet hatte. Ich hoffte, ihn davon überzeugen zu können, daß meine Haltung vernünftig und moralisch war, während dies bei allen anderen nicht der Fall war.
»Hast du gesehen, was er gemacht hat, als die Kerle von Oar sich von hinten an den Haupt- mann heranschleichen wollten?« fragte einer der Kartenspieler. Sie schwatzten gerade über Raven. Ich hatte ihn bis eben völlig vergessen. Ich stellte meine Ohren auf und lauschte auf etliche Geschichten über sein wahnwitziges Heldentum. Nach ihrem Gespräch zu urteilen hatte Raven jedem in der Kompanie mindestens einmal das Leben gerettet. Jemand fragte: »Wo ist er eigentlich?«
Jede Menge Kopf schütteln. Jemand meinte: »Hat wohl ins Gras gebissen. Der Hauptmann hat einen Trupp ausgeschickt, der unsere Toten einsammeln soll. Wahrscheinlich können wir heute nachmittag zugucken, wie er in die Grube geht.« »Was ist mit der Kleinen passiert?«
Elmo schnaubte. »Wenn du ihn findest, dann hast du auch sie gefunden.« »Wo du gerade von der Kleinen redest, hast du eigentlich gesehen, was passiert ist, als sie versucht haben, den Zweiten Zug mit so ‘ner Art Keulenzauber auszuschalten? Das war ei- genartig. Die Kleine tat so, als sei überhaupt nichts passiert. Alle anderen fielen um wie die Steine. Sie machte nur ein verdutztes Gesicht und rüttelte an Raven herum. Rumms kommt er wieder auf die Beine und macht sich ans Hacken. Sie hat sie alle wachgerüttelt. Als ob die Magie ihr nichts anhaben konnte, oder so.« Ein anderer sagte: »Vielleicht deshalb, weil sie taub ist. Vielleicht war die Magie ja irgend- ein Klang.«
»Ach, wer weiß das schon? Aber schon schade, daß sie es nicht geschafft hat. Hatte mich ir- gendwie daran gewöhnt, daß sie hier herumlungert.« »Genau wie mit Raven. Den brauchen wir, damit Einauge nicht schummelt.« Alle lachten. Ich sah zu Schweiger, der meiner Unterhaltung mit Goblin zuhörte. Ich schüttelte den Kopf. Er hob eine Augenbraue. Mit Hilfe von Darlings Gebärdensprache sagte ich zu ihm: Sie sind nicht tot . Er mochte Darling ebenfalls.
Er stand auf, stellte sich hinter Goblin, ruckte mit dem Kopf. Er wollte allein mit mir spre- chen. Ich löste mich aus dem Gespräch und ging ihm nach. Ich erklärte, daß ich Darling auf der Rückkehr von meinem Ausflug mit der Lady gesehen hatte, daß ich den Verdacht hegte, daß sich Raven über die eine Straße absetzen würde, die er für unbewacht hielt. Schweiger runzelte die Stirn und wollte den Grund wissen. »Keine Ahnung. Du weißt doch, wie er sich in letzter Zeit aufgeführt hat.« Meine Visionen oder Träume erwähnte ich nicht; mittlerweile kamen sie mir wie Hirngespinste vor. »Viel- leicht hat er von uns die Nase voll.«
Schweiger lächelte auf eine Art, die deutlich besagte, daß er davon kein Wort glaubte. Er ge- stikulierte: Ich will wissen, warum. Was weißt du davon? Er ging davon aus, daß ich mehr als
    alle anderen über Raven und Darling wußte, weil ich ständig nach persönlichen Einzelheiten
Ausschau halte, die ich in die Annalen schreibe. »Ich weiß nichts, was du nicht auch weißt. Er hing mehr bei dem Hauptmann und bei Pökel herum als bei allen anderen.«
Er dachte etwa zehn Sekunden lang nach, dann signalisierte er: Sattle zwei Pferde. Nein, vier Pferde und Vorräte. Wir sind vielleicht ein paar Tage unterwegs. Ich werde mich umhören.
Seine Haltung ließ eine Gegenrede gar nicht zu. Mir war es recht. Schon während des Gespräches mit Goblin dachte ich, daß ich mal einen Ausritt machen könnte. Ich hatte es mir aus dem Kopf geschlagen, weil mir keine Möglichkeit einfiel, Raven auf der Spur zu bleiben. Ich ging zu dem Zaun, an dem Elmo letzte Nacht die Pferde festgebunden hatte. Einen Au- genblick sann ich über die Möglichkeit nach, daß eine höhere Macht existierte, die uns hin und her schob. Ich brachte ein paar Männer dazu, daß sie mir die Pferde sattelten, während ich loszog und Pökel einige Vorräte aus dem Kreuz leierte. Mit ihm war das schon etwas schwie- riger. Er wollte die persönliche Bestätigung des Hauptmanns. Wir kamen zu einer Überein- kunft, laut derer ihm
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