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Im Dienst des Seelenfängers

Titel: Im Dienst des Seelenfängers
Autoren: Glen Cook
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im Zimmer nebenan Bescheid, daß Locke sich krankgemeldet hatte. Ich nahm den langen Weg über die Trejansmauer über Berylls Hafen. Auf halbem Weg blieb ich stehen, starrte nach Norden an der Mole und dem Leuchtturm und der Festungsinsel vorbei auf das Meer der Qualen. Bunte Segel sprenkelten das schmutzige graubraune Wasser, über das Küstendauen auf den verwickelten Routen dahinglitten, die die Juwelenstädte mit- einander verbanden. Die obere Luft hing reglos, schwer und dunstig. Der Horizont war nicht auszumachen. Aber auf dem Wasser war die Luft ständig in Bewegung. Um die Insel wehte immer eine Brise, obwohl sie die Küste mied, als fürchtete sie den Aussatz. Die näher her- umkreisenden Möwen waren ebenso mürrisch und schlaff, wie es die meisten Männer an die- sem Tag sein würden.
Ein weiterer verschwitzter, staubiger Sommer im Dienste des Syndikus von Beryll, in dem wir ihn ohne Dank vor politischen Rivalen und undisziplinierten Truppen beschirmten.- Ein weiterer Sommer, in dem wir uns den Arsch aufrissen und Belohnungen von der Art einstri- chen, wie Locke sie erhalten hatte. Die Bezahlung war gut, nur unsere Seelen wurden nicht reicher. Unsere Brüder aus alter Zeit hätten sich geschämt, wenn sie uns so klein gesehen hät- ten.
    Beryll ist geronnenes Elend, aber auch uralt und faszinierend. Ihre Geschichte ist ein boden-
loser, mit trübem Wasser gefüllter Brunnen. Mir gefällt es, die schattigen Tiefen auszuloten und dabei zu versuchen, die Tatsachen von Märchen, Legenden und Mythen zu trennen. Kei- ne leichte Aufgabe, denn die alten Stadthistoriker hatten beim Schreiben darauf geachtet, es sich nicht mit den damaligen Machthabern zu verderben. Für mich ist der interessanteste Zeitabschnitt der des alten Königreiches, der am unbefriedi- gendsten aufgezeichnet worden ist. Es begab sich zur Zeit von Niams Herrschaft, daß die Forvalaka kamen, nach einem Jahrzehnt des Schreckens überwältigt und in ihrer dunklen Gruft auf dem Nekropolis-Hügel eingekerkert wurden. Die Erinnerung an diesen Schrecken hält sich in den Volkslegenden und in mütterlichen Drohungen an unartige Kinder. Dieser Tage weiß niemand mehr, was die Forvalaka waren. Ich ging wieder weiter und gab es auf, die Hitze besiegen zu wollen. Die Wächter in den schattigen Unterständen hatten sich Tücher um die Hälse gewickelt. Eine leichte Brise schreckte mich auf. Ich sah zum Hafen. Um die Insel kam ein Schiff her- an, ein großes schwerfälliges Ding, das die Dauen und Feluken winzig wirken ließ. In der Mitte des vollen schwarzen Segels ragte ein silberner Schädel vor. Die roten Augen des Schä- dels glühten. Hinter den abgebrochenen Zähnen flackerten Flammen. Ein funkelnder Silber- reif umspannte den Schädel.
»Was zur Hölle ist denn das?« fragte ein Wächter. »Ich weiß es nicht, Whitey.« Die Größe des Schiffes beeindruckte mich mehr als sein auffäl- liges Segel. Die vier Zauberer niederen Ranges, die wir in der Legion hatten, konnten es mit dieser Protzerei wohl aufnehmen. Aber ich hatte noch nie eine Galeere mit fünf Ruderreihen gesehen.
Mein Auftrag fiel mir wieder ein.
Ich klopfte an die Tür vom Zimmer des Hauptmanns. Er antwortete nicht. Ich trat ungebeten ein und fand ihn schnarchend in seinem großen Holzsessel. »Jau!« brüllte ich. »Feuer! Auf- ruhr im Stöhner! Tänzer vor dem Morgentor!« Tänzer war ein Feldherr aus alter Zeit, der Be- ryll beinahe zerstört hatte. Bei seinem Namen läuft den Leuten immer noch ein Schauer her- unter.
Der Hauptmann bewahrte die Ruhe. Kein Augenlid zuckte, kein Mundwinkel zog sich nach oben. »Du bist anmaßend, Croaker. Wann lernst du es endlich, dich an den Dienstweg zu hal- ten?« Der Dienstweg bedeutete, zuerst dem Leutnant auf die Nerven zu fallen. Ihn selbst erst dann zu stören, wenn die Blauen die Barrikaden stürmten. Ich berichtete ihm von Locke und meiner Tabelle. »Das klingt, als ob Mercy Arbeit bekommt.« Seine Stimme klang hart. Die Schwarze Schar duldet keine böswilligen Angriffe auf ihre Männer.
    Mercy war unser fiesester Zugführer. Er hielt ein Dutzend Männer für ausreichend, ließ aber Schweiger und mich mitkommen. Ich konnte die Verwundeten zusammenflicken. Schweiger
    konnte nützlich werden, wenn die Blauen unangenehm wurden. Schweiger hielt uns einen
halben Tag lang auf, als er eben mal kurz in den Wäldern verschwand. »Was zur Hölle hast du da getrieben?« fragte ich ihn, als er mit einem verdreckten Sack wie- derkam.
Er grinste nur.
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