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Im Dienst des Seelenfängers

Titel: Im Dienst des Seelenfängers
Autoren: Glen Cook
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Teile. Und da sie geistigen Ursprungs ist, ist sie nicht an die Zeit gebunden. Vielleicht kann sie al- les zu jeder Zeit sehen und Spielfiguren in Bewegung setzen, so daß der Sieg von Heute zum Eckstein der Niederlage von Morgen wird. Vielleicht spielte die Müdigkeit meinem Verstand Streiche. Einige Sekunden lang glaubte ich, daß ich die Landschaft von Morgen sah, wie sich der Triumph der Lady wie eine Schlan- ge wand und während des nächsten Kometendurchgangs ihre Vernichtung einleitete. Ich sah eine wahre Weiße Rose ihre Standarte zum Turm tragen, sah sie und ihre Kämpen so deutlich vor mir, als ob ich an jenem Tag selbst dort war… Ich schwankte im Sattel von Feders Pferd wie vom Donner gerührt und vollkommen veräng- stigt. Denn wenn diese Vision zutraf, dann kannte ich die Weiße Rose. Hatte sie schon seit einem Jahr gekannt. Sie war meine Freundin. Und ich hatte sie wegen einer Behinderung von der Liste gestrichen…
Ich trieb die Pferde zum Lager. Als mich schließlich ein Wächter anrief, hatte ich wieder genügend Zynismus aufgebaut, um die Vision abzutun. Ich hatte einfach zuviel an einem Tag durchgemacht. Typen wie ich sind keine Propheten. Schon gar nicht für die falsche Seite. Elmos Gesicht war der erste vertraute Anblick für mich. »Gott, du siehst furchtbar aus«, sag- te er. »Bist du verletzt?«
Ich konnte nur noch den Kopf schütteln. Er zerrte mich vom Pferd und legte mich irgendwo ab, und das war für Stunden das Letzte, an das ich mich erinnern konnte. Nur daß meine Träume so unzusammenhängend und zeitlich ungebunden wie meine Vision waren und daß sie mir überhaupt nicht gefielen. Und ich konnte ihnen nicht entfliehen. Allerdings ist der Verstand wunderbar elastisch. Innerhalb von Augenblicken nach meinem Erwachen schaffte ich es, die Träume zu vergessen.

SIEBTES KAPITEL
Rose
    Der Streit mit dem Hauptmann tobte zwei Stunden lang. Er war unnachgiebig. Meine Ar- gumente, mochten sie juristischer oder auch moralischer Art sein, wurden von ihm nicht ak- zeptiert. Mit der Zeit mischten sich auch andere ein, als sie wegen irgendwelcher Anfragen zum Hauptmann kamen. Als ich dann wirklich in die Luft ging, waren die meisten Führungs- persönlichkeiten der Kompanie anwesend: Der Leutnant, Goblin, Schweiger, Elmo, Candy und einige neue Offiziere, die wir hier in Charm angeworben hatten. Die geringfügige Unter- stützung, die mir zuteil wurde, kam aus überraschenden Quellen. Schweiger stand auf meiner Seite. Ebenso zwei der neuen Offiziere. Ich stapfte aus dem Zelt. Schweiger und Goblin folgten mir. Ich war himmelschreiend wü- tend, aber ihre Reaktion überraschte mich dennoch nicht. Da die Rebellen besiegt waren, gab es nur wenig, das die Kompanie zum Überlaufen hätte veranlassen können. Der anderen Seite stand das Wasser bis zum Hals. Fragen nach Recht und Unrecht klangen eigentlich nur blöd. Wen scherte es im Grunde genommen?
Noch war es früh am Tag nach der Schlacht. Ich hatte nicht gut geschlafen und stand unter Dampf. Ich versuchte durch munteres Aufundabmarschieren die Spannung abzubauen. Goblin behielt mich im Auge und vertrat mir den Weg, als ich mich einigermaßen beruhigt hatte. Schweiger beobachtete uns aus der Nähe. Goblin fragte: »Können wir miteinander re- den?«
»Geredet habe ich schon. Niemand hört mir zu.« »Du bist zu streitsüchtig. Komm hier rüber und setz dich hin.« Hier rüber erwies sich als ein Haufen Ausrüstung neben einem Lagerfeuer, an dem einige Männer etwas kochten und ande- re Tonk spielten. Die übliche Bande. Sie sahen aus den Augenwinkeln zu mir und zuckten die Achseln. Sie schienen sich allesamt Sorgen zu machen. Als ob sie um meinen Geisteszustand besorgt wären.
Vermutlich hätte ich, wenn einer von ihnen vor einem Jahr das gleiche getan hätte wie ich, wohl dasselbe empfunden. Ehrliche Verwirrung und Sorge auf der Grundlage der Zuneigung zu einem Kameraden.
Ihr Starrköpfigkeit brachte mich auf die Palme, aber da konnte ich nicht lange bleiben, denn indem sie Goblin zu mir geschickt hatten, hatten sie auch bewiesen, daß es ihnen etwas aus- machte.
Still und zunächst etwas mürrisch nahm das Spiel seinen Fortgang und wurde schließlich lebhaft, als man Klatsch über den Schlachtverlauf austauschte. Goblin fragte: »Was ist gestern geschehen, Croaker?« »Das habe ich euch doch gesagt.«
Freundlich meinte er. »Wie wäre es, wenn wir das noch einmal durchgehen? Etwas detail- lierter.« Ich wußte, was er gerade tat. Ein bißchen
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