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Im Dienst des Seelenfängers

Titel: Im Dienst des Seelenfängers
Autoren: Glen Cook
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Feindestruppen als teilweise oder zur Gänze immun, und von
unserer Seite entkamen nicht alle der Ansteckung. Die Rebellen nahmen die oberste Ebene ein.
An diesem Punkt hatte der Plan vorgesehen, daß die Schwarze Schar zum Gegenangriff vor- ging. Der rehabilitierte Hinker sollte ihnen mit Männern aus dem Turm beistehen. Aber die Lady war nicht da, um den Angriff zu befehlen. In ihrer Abwesenheit ordnete Wisper einen Rückzug in den Turm an.
Das Innere des Turmes bestand nunmehr aus einer Serie von Todesfallen, die nicht nur von den Osttruppen des Heulers, sondern auch aus ehemals Verwundeten bemannt wurden, die in den Nächten zuvor hineingebracht und durch die Kräfte der Lady geheilt worden waren. Lange bevor ich durch das Labyrinth zu meinen Brüdern vordringen konnte, fanden die Kämpfe ein Ende. Als ich schließlich ihre Spur kreuzte, erfuhr ich, daß ich Stunden zurück- lag. Sie hatten den Turm mit dem Befehl verlassen, eine Wachreihe auf der Höhe der alten Palisade zu bilden.
Weit nach Einbruch der Nacht erreichte ich die Bodenebene. Ich war müde. Ich wollte nur Ruhe, Frieden, vielleicht einen Garnisonsposten in einer kleinen Stadt… Mein Verstand arbei- tete nicht besonders gut. Ich hatte Dinge zu erledigen, Argumente anzubringen, eine Schlacht mit dem Hauptmann auszutragen. Er würde keine weitere Verpflichtung verraten wollen. Es gibt die körperlich Toten und die moralisch Toten. Meine Kameraden gehörten zu den letzte- ren. Sie würden mich nicht verstehen. Elmo, Raven, Candy, Einauge, Goblin, sie würden sich so verhalten, als ob ich in einer fremden Sprache zu ihnen reden würde. Und dennoch, konnte ich sie deshalb verurteilen? Sie waren meine Brüder, meine Freunde, meine Familie und han- delten innerhalb dieses Rahmens moralisch. Also fiel die Last auf mich. Ich mußte sie davon überzeugen, daß es noch eine höhere Verpflichtung gab. Ich stapfte durch getrocknetes Blut, stieg über Leichen hinweg, führte Pferde mit mir, die ich aus den Ställen der Lady abgezogen hatte. Warum ich mehrere mitnahm, ist mir selbst ein Rätsel, von einer vagen Vorstellung einmal abgesehen, daß sie vielleicht nützlich sein wür- den. Das Pferd, das Feder geritten hatte, nahm ich selbst, weil ich keine Lust zum Laufen hat- te.
Ich blieb stehen und sah zu dem Kometen auf. Er machte einen ausgelaugten Eindruck. »War diesmal wohl nichts, oder?« fragte ich ihn. »Ich kann nicht sagen, daß mich das sonder- lich betrübt.« Ein falsches Kichern. Wie konnte ich auch? Wenn dies die Stunde der Rebellen gewesen wäre, wie sie geglaubt hatten, dann wäre ich jetzt tot. Bevor ich das Lager erreichte, hielt ich noch zweimal an. Beim ersten Mal hörte ich leises Fluchen, als ich die Überreste des unteren Blockadewalls erreichte. Ich näherte mich dem Geräusch und entdeckte Einauge, der vor der gekreuzigten Forvalaka auf dem Boden saß. Mit leiser Stimme sprach er unaufhörlich in einer Sprache, die ich nicht verstand. Er war so kon- zentriert, daß er mich nicht kommen hörte. Er hörte auch nicht, wie ich mich eine Minute spä- ter angewidert zurückzog.
Einauge kassierte die Schulden für den Tod seines Bruders Tom-Tom ein. So wie ich ihn kannte, würde das noch Tage in Anspruch nehmen. Ein zweites Mal blieb ich an der Stelle stehen, von der aus die falsche Weiße Rose der Schlacht zugesehen hatte. Reglos lag sie da, sehr tot in sehr jungen Jahren. Ihre zauberkräfti-
    gen Freunde hatten ihren Tod nur noch schlimmer gemacht, als sie versucht hatten, sie vor der
Seuche des Heulers zu retten.
»Und soviel dazu.« Ich sah zum Turm zurück, zum Kometen. Sie hatte gewonnen… Hatte sie das tatsächlich? Was hatte sie denn eigentlich erreicht? Die Vernichtung der Rebel- len? Aber sie waren die Werkzeuge ihres Gatten geworden, eines noch größeren Übels. Ei- gentlich war er hier besiegt worden, wenngleich auch nur er, sie und ich das wußten. Das grö- ßere Böse war aufgehalten worden. Außerdem war das Ideal der Rebellen durch eine reini- gende, härtende Flamme geschritten. In einer Generation… Ich bin kein religiöser Mensch. Ich kann mir einfach keine Götter vorstellen, die es irgend etwas schert, was die Menschen Schäbiges treiben. Ich meine, logischerweise würden Wesen dieser Größe das einfach nicht tun. Aber vielleicht gibt es eine Kraft, die zum größeren Guten wirkt, die von unserem Unterbewußtsein gemeinsam erschaffen wird und zu einer unabhängi- gen Macht wird, die größer ist als die Summe ihrer
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