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Im Bann seiner Küsse

Im Bann seiner Küsse

Titel: Im Bann seiner Küsse
Autoren: Kristin Hannah
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Mädchen in einem Kreis auf dem Wohnzimmerboden um sich. Das Feuer brannte niedrig im Kamin und tauchte den dunklen Raum in einen rotgoldenen Schein. Das Aroma von Hammelragout, vermischt mit dem beißenden Duft von Holzrauch, lag in der Luft. Mondschein fiel in einem schwachen, gebrochenen Strahl durch das kleine Fenster und bildete auf dem Sofa einen bläulichen Fleck.
    Tess breitete eine große Decke auf den Boden, dann ließ sie sich auf die Knie nieder und bedeutete den Mädchen, sie sollten sich zu ihr setzen.
    Als Katie und Savannah sich auf der Decke niedergelassen hatten, legte Tess vor jedes Mädchen ein kostbares Blatt Papier. Feder und Tintenfass folgten.
    Savannah sah auf. »Was sollen wir damit?«
    Tess schaute ihre Tochter an, und ihr wurde zum ersten Mal klar, wie jung zwölf Jahre sein konnten. Savannah sah in dem fahlen Licht blass und naiv aus, wie ein Kind, das sich mit aller Kraft bemüht, erwachsen zu sein.
    Tess' Blick glitt zu Katie, die wie eine Indianerin dasaß, die Ellbogen auf die angezogenen Knie gestützt. Ihre Augen blickten groß und ernst aus dem von Dunkelheit eingefassten, pausbäckigen Gesicht. Ihre Unterlippe zitterte unmerklich, einziges Anzeichen, dass sie Angst um ihren Daddy hatte.
    Liebe durchflutete Tess in einer stürmischen Woge. Diese Kinder hatten ihr so viel gegeben ... mehr, als sie sich je als möglich erträumt hatte. Sie waren die Antwort auf unzählige, stille, schmerzliche Träume. Wo einst Fremde waren, gab es nun eine Familie.
    Sie brauchte nicht stark für sie zu sein. Sie musste stark mit ihnen sein. Von nun an würden sie sich einem Leben mit guten und schlechten Zeiten gegenübersehen. Mit Wundern und Tragödien. Und sie konnten sich einer nach der anderen stellen, und jeder von ihnen würde erstarken, wenn er am anderen Halt fand.
    Sie streckte die Arme aus. Mit einem erstickten Schluchzen warf Katie sich ihr an die Brust und drückte das Gesicht an die mütterliche Schulter. Savannah schob das Papier beiseite, kroch über die Decke und schmiegte sich ebenfalls an Tess.
    Ihre Liebe und Anerkennung verliehen Tess die Kraft, es mit der ganzen Welt aufzunehmen. Sie strich in langsamen, sanften Kreisen über ihre Rücken.
    »Wird er zurückkommen?«, fragte Savannah leise.
    Tess lächelte. »Das ist ganz meine Vannah ... immer ganz offen. Frag nur, was dich bedrückt.«
    »Also ... kommt er wieder?«
    Die rationale Wissenschaftlerin in Tess wollte ausweichend antworten, wollte sich über die überraschenden Wendungen der Justiz und die Natur von Jacks Angst verbreiten. Doch dieser Teil in ihr war nun ganz klein und wurde immer kleiner. Die Mutter in ihr hatte die einfachere Antwort parat. »Ja, mein Schatz, er kommt wieder, aber dazu brauche ich eure Hilfe.«
    Beide Mädchen rückten ab und sahen sie aufmerksam an. »Was können wir tun?«, frage Savannah.
    »Seht ihr diese Papierbögen? Ich möchte, dass jede von euch eurem Daddy einen Brief schreibt. Morgen bringe ich ihm dann die Briefe.«
    Katie jammerte. »Nein, ich ...«
    Tess berührte die Wange des Kindes. »Ich helfe dir.« Katie
    atmete in einem leisen und bebenden Seufzer aus. »Wird ... wird es ihm nützen?« »Ich glaube schon.«
    Katie nagte nervös an ihrer Unterlippe, dann nickte sie langsam. »Also gut.«
    Tess half den Mädchen, sich umzudrehen und auszustrecken. Savannah lag auf der Decke, die an den Fesseln gekreuzten Beine angewinkelt. Sie kaute lange und nachdenklich an ihrer Feder, ehe sie zu schreiben begann.
     
    Lieber Daddy,
    als ich klein war, hast du oft mitten in der Nacht an meinem Bett gestanden. Du hast nur dagestanden, mich angeschaut und geweint. Und ich wünschte mir immer so sehr, du würdest mich hochnehmen. Immer wenn ich dich damals sah, war es durch die Holzstäbe des Bettes. Es war wie im Gefängnis.
    Dann wurde ich groß und merkte, dass man keine Stäbe braucht, um im Gefängnis zu sein. Ich fühlte mich immer eingesperrt und allein und hatte Angst. Und dann wurde alles anders. Mama fing zu lachen an, und du hast mich Tanzen gelehrt.
    Das Tanzen war der absolute Gipfel. Manchmal muss ich weinen, wenn ich nur daran denke. Es war der Abend, als du mir zum ersten Mal sagtest, dass du mich lieb hättest. Danach fühlte ich mich nie wieder wie im Gefängnis.
    Daddy, ich habe dich lieb. Bitte, komm nach Hause.
    S.
     
    Als Tess Savannahs Brief las, wurde ihr die Kehle vor Rührung ganz eng. Impulsiv strich sie eine Locke aus Savannahs Augen. »Das ist wunderschön,
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