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Im Bann des roten Mondes

Im Bann des roten Mondes

Titel: Im Bann des roten Mondes
Autoren: Susan Hastings
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mit schnellen Schritten überquerte. Auch er verzichtete auf die Benutzung einer Droschke und suchte sich selbst einen Weg zum Bahnhof. In ihrem Herzen zog es verdächtig, als sie ihn im Gewimmel der Passanten verschwinden sah. Sie hasste solche Augenblicke der Schwäche. Aber sie konnte sie auch nicht ändern. Nun war sie von beiden Männern, die ihr im Leben etwas bedeuteten, verlassen.
    Der Gedanke an ihren Vater brachte Désirée wieder zur Besinnung. Es war nicht die Zeit, Trübsal zu blasen. Sie musste jede Minute nutzen. Vor allem musste sie einen kühlen Kopf behalten.
    Das war gar nicht so leicht bei der Hitze, die über der Stadt lastete. Der heiße Atem der Wüste strich in einem Hauch über das Atlasgebirge und vertrieb die angenehm kühle Luft, die sonst vom Meer herwehte. Es war, als wolle eine unsichtbare Macht ihr eine Warnung senden. Tu es nicht, Désirée, lass ab von deinem Vorhaben. Es führt dich ins Verderben!
    Auch wenn sie den Gedanken nicht einmal im Stillen aussprach, so wusste sie doch, was zu tun war. Sie hatte genügend Geld dabei, um eine Expedition auszurüsten. Und wenn es nicht reichte, gäbe es in Algier die französische Nationalbank, die auch ihr Konto verwaltete. Sie hatte sogar die Möglichkeit, eine Anleihe zu nehmen. Sie brauchte sich um das Geld also keine Gedanken zu machen. Die Frage war, ob sie eine eigene Expedition ausrüsten oder sich lieber einer Karawane anschließen sollte.
    Eine eigene Expedition verhieß ihr Unabhängigkeit. Doch die war auch ziemlich teuer. Sich einer Karawane anzuschließen, war sicherer. Eingedenk der Ungeheuerlichkeiten, die der Museumsdirektor von diesen Tuareg erzählt hatte, erschien es ihr vernünftiger. Hatte nicht auch Philippe davon gesprochen, wie gefährlich diese blauen Wüstenräuber waren? Große Karawanen boten einen besseren Schutz als eine kleine Expedition.
    Désirée schloss das Fenster ihres Zimmers und zog sorgfältig die Vorhänge zu. Dann schlenderte sie betont lässig die Treppe hinunter, setzte sich ins Foyer und bestellte einen Kaffee. Sie nahm die Zeitung zur Hand, blätterte gelangweilt darin, um sie dann wieder beiseite zu legen.
    »Wie geht es Ihnen, Mademoiselle Montespan?«, wollte der kleine Franzose an der Rezeption wissen. Er blinzelte ihr zu und zog seinen Mund mit dem kleinen Menjou-Bärtchen fast bis zu seinen abstehenden Ohren.
    »Oh, danke, Monsieur ...«
    »Petit, Mademoiselle, mein Name ist Petit.«
    Désirée grinste. Warum hatte sie das nicht gleich geahnt?
    »Ah, Monsieur Petit, es geht mir ausgezeichnet.«
    »Da bin ich aber erleichtert, wo doch der verehrte Herr Verlobte heute früh wieder abgereist ist.«
    Désirée warf ihm einen prüfenden Blick zu. Spionierte ihr dieser Kerl etwa nach? Was ging es ihn an, wen sie auf ihrem Zimmer empfing? Natürlich, Philippe war ja über Nacht geblieben. Eine Tatsache, die Monsieur Petit ein hintergründiges Lächeln entlockte. Schwein, dachte Désirée. Neidisches Schwein!
    Sie hob die Hand. »Sagen Sie, Monsieur Petit, Sie kennen sich doch in Algier aus.«
    Wie der Blitz kam er hinter dem Tresen hervorgewirbelt und blieb dienernd neben Désirées Tisch stehen.
    »Aber selbstverständlich, Mademoiselle. Ich bin ja hier geboren.«
    »Ach!«, entfuhr es ihr. »Und ich dachte, Sie stammen aus Südfrankreich.«
    »Da haben Sie nicht ganz Unrecht. Mein Vater war ein Gascogner.« Er schwellte stolz seine Brust wie ein gallischer Hahn.
    Désirée hob anerkennend die Augenbrauen. »Tja, was Algier betrifft, so möchte ich mir vor meiner Abreise gern noch ein paar Sehenswürdigkeiten anschauen.«
    »Oh, da kann ich Ihnen viele empfehlen.«
    »Das glaube ich Ihnen gern. Aber ich meine nicht die offensichtlichen. Sie wissen doch, dass ich einer Forscherfamilie entstamme. Ich interessiere mich für ganz andere Dinge. Solche, die Karawanen aus dem Herzen Afrikas mitbringen. Kennen Sie eine Karawanserei?«
    Monsieur Petit starrte sie eine ganze Weile an, und sein albernes Lächeln stand wie festgemeißelt auf seinem Gesicht.
    »Natürlich«, murmelte er dann etwas verwirrt. »Es gibt sogar mehrere Karawansereien in Algier. Sie befinden sich im Süden der Stadt. Aber ich glaube, das, was Sie suchen, finden Sie auch in französischen Geschäften.«
    Mit einem sphinxhaften Lächeln lehnte sich Désirée in den schwellenden Polstern der orientalischen Sitzgarnitur zurecht. »Monsieur Petit«, sagte sie mit einem sanften Tadel in der Stimme, »ich bin nicht an den normalen
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