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Im Bann des Mondes

Im Bann des Mondes

Titel: Im Bann des Mondes
Autoren: Kristen Callihan
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noch. Die Menschen wichen vor Grauen zurück und drängten sich gleichzeitig fasziniert nach vorn. Die anwesenden Frauen wurden schnell vom Schauplatz ferngehalten.
    Energisch schob sich Ian an einem stämmigen Mann vorbei. Der durchdringende Geruch nach Wolf war fast zu viel für seine Sinne. Wolf und Blut.
Gütiger Himmel!
    Als ihm wieder ein Mann den Weg versperrte, fand Ian endlich seine Stimme wieder und sprach die Worte, die seit Jahren nicht mehr über seine Lippen gekommen waren. »Zur Seite! Ich bin Arzt.« Allerdings hielt er es aufgrund der großen Menge an Blut eher für unwahrscheinlich, dass seine eingerosteten Dienste überhaupt noch gebraucht wurden.
    Die Menge machte ihm den Weg frei, und Ian betrat den Schauplatz. Bittere Galle stieg in ihm hoch. Überall war Blut – bedeckte die Mauer des Hauses, bildete Pfützen auf dem Boden und lief in die Fugen der Pflastersteine. Ein Mann – oder das, was von ihm noch übrig war – lag zusammengesunken neben der Hauswand. Das Gesicht war von Krallen so zerfetzt, dass es nicht mehr zu erkennen war, und der Körper ausgeweidet. Nur ein kurzes Stück weiter lag eine Frau, die das gleiche Schicksal ereilt hatte, wobei ihr Gesicht jedoch unberührt geblieben war. Sie war zuerst gestorben. Darauf würde er seinen schönsten Spazierstock verwetten. Von ihr stieg bereits Verwesungsgeruch auf, während ihr Körper steif und bleich im Schein des Mondes dalag.
    Ian hockte sich hin und atmete tief ein. Alle möglichen Gerüche stürmten auf ihn ein. Er nahm sie auf und analysierte die einzelnen Komponenten. Überlagert von Verwesung, Entsetzen und Blut war da die deutliche Witterung nach einem Wolf. Sie war getränkt mit etwas Bittersüßem, dem eine schwefelartige Note anhaftete … etwas Krankes. Was für eine Krankheit das war, konnte er nicht erkennen, aber er nahm sie deutlich wahr. Ein seltsamer Umstand, bedachte man, dass Werwölfe eigentlich nicht anfällig für Krankheiten waren.
    »Für den kommt jede Hilfe zu spät«, sagte der Mann neben ihm. Ian hob eine Hand, um anzuzeigen, dass man ihn nicht stören sollte, während er noch tiefer einatmete.
    Er registrierte jetzt einen schwächeren Geruch, den der Gestank erst überlagert hatte – eine Mischung aus Rosenwasser, Jasmin, Vanille und Sonnenschein. Der Duft nahm ihn einen Moment lang völlig gefangen, sodass sich seine Muskeln anspannten und Wärme sich in ihm ausbreitete. Es war ein frischer, flüchtiger Duft, bei dem sich sein Tier aufsetzte und aufmerksam wurde.
    Ein leises Stöhnen brach den Zauber. Irgendjemand schrie warnend auf. Der Tote bewegte sich und rollte auf die Seite, woraufhin die Menge geschlossen zurückwich. Ians Herzschlag beschleunigte sich, ehe er blauen Seidenstoff zwischen den verdrehten Beinen des Mannes erspähte.
    »Verfluchter Mist!« Er zerrte den Leichnam zur Seite, der mit einem dumpfen Laut zu Boden kippte. Zum Vorschein kam der gekrümmte Leib einer über und über mit Blut bedeckten Frau, die seltsamerweise in Efeuranken gehüllt war, welche üppig grün von der Hauswand hingen.
    »Treten Sie zurück«, erklärte er scharf, als ein allzu neugieriger Mann näherrückte.
    »Himmel! Lebt sie noch?«
    Ian machte mit den Efeuranken kurzen Prozess, indem er nur die äußersten Spitzen seiner Krallen ausfuhr und damit das Gestrüpp teilte. Doch seine Hände waren ganz sanft, als er das Handgelenk der Frau umfasste, um nach ihrem Puls zu suchen. Er war langsam, gleichmäßig und kräftig. Der Duft nach Blumen und Vanille stieg von ihr auf. Ihre Gesichtszüge waren durch all das Blut nicht zu erkennen. Ian stieß einen unterdrückten Fluch aus und tastete ihren Körper nach Verletzungen ab. Trotz des vielen Blutes schien sie unverletzt zu sein. Das Blut, das an ihr klebte, stammte von dem Mann, nicht von ihr. Doch sie hatte den Angriff miterlebt. Dessen war er sicher. Sie war es gewesen, die geschrien hatte. Und dann der Mann.
    Er ließ den Blick über die Straße gleiten und stellte sich vor, wie wohl alles abgelaufen sein musste. Das Paar hatte das erste Opfer bemerkt. Sie hatten geschrien und waren dann angegriffen worden. Ian richtete den Blick wieder auf die Frau.
    Sie war klein, hatte üppige Rundungen und eine schmale Taille. Er schob einen Arm unter ihre Schultern und den anderen unter ihre Knie, ehe er sie hochnahm und dabei die Einwände ignorierte, die von allen Seiten kamen. Ihr Kopf sackte gegen seine Schulter, und Ian nahm aufs Neue einen Hauch ihres süßen Duftes
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