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Im Bann des Mondes

Im Bann des Mondes

Titel: Im Bann des Mondes
Autoren: Kristen Callihan
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der Tasche, als er beabsichtigt hatte, und reichte es ihr. »Sieh das als meine Entschuldigung an.«
    Ihre Finger schlossen sich um die Banknoten, während sie ihn musterte. Sie war ein schlaues Frauenzimmer. Er mochte es nicht, wenn seine Frauen dumm waren. Das machte es am Ende nur schwieriger. Manche meinten gar, sie könnten seine Mätressen werden. Doch glücklicherweise kümmerte es wegen seines Rufs als lasterhafter Mensch kaum jemanden, was er trieb, solange es nur empörend genug war. Die Londoner Gesellschaft war wie eine wilde Bestie, die sich durch gute Unterhaltung immer zähmen ließ.
    Jeanine/Jennys Mund verzog sich zu einem freundlichen Lächeln. »Das ist ’ne verdammt nette Entschuldigung, Süßer.«
    Nachdem alles zwischen ihnen geklärt war, ließ sie vom gespielt vornehmen Getue ab.
    Jeanine/Jenny glitt vom Bett und sammelte ihre Sachen ein, wobei er einen Blick auf einen wohl gerundeten, festen Hintern erhaschte. Bei ihm regte sich noch nicht einmal ansatzweise anerkennende Bewunderung. Er versuchte, nicht an den kleinen Ian, diesen miesen Verräter, zu denken und legte die Arme auf den Knien ab, während sie sich in drückender Stille ankleidete. Fast hätte sich bei ihm wieder innere Zufriedenheit eingestellt, als sie auf die Tür zu ging. Doch dann warf sie ihm über die Schulter einen letzten Blick aus grünen Augen zu. Jeder einzelne Muskel in seinem Körper spannte sich an, als er diesen Blick sah.
    »Ich werde schweigen wie ein Grab«, versicherte sie ihm.
    Die Tür schloss sich mit dem dumpfen Knall eines Deckels, der auf einen Sarg gelegt wird.

1
    London, 18. April 1883
    Dreihundertsechsundsechzig Tage, zehn Stunden, fünfzehn Minuten und … Daisy warf einen Blick auf die herzförmige, goldene Uhr, die in der Mitte ihres Mieders baumelte. Es handelte sich um eine strategisch günstige Stelle, um den Blick auf ihren Busen zu lenken. Nun ja, es mochte vielleicht eine strategisch günstige Position sein, aber so die Uhrzeit zu erkennen, war fast ein Ding der Unmöglichkeit. Das winzige Ziffernblatt wurde durch die schwankende Laterne der Kutsche immer wieder in den Schatten getaucht.
    Aber Sekunden mussten nun ohnehin nicht mehr gezählt werden. Sie war frei. Daisy schaute nach draußen in den wabernden, grauen Nebel, der die Straßen von London verhüllte. Dreihundertsechsundsechzig Tage, zehn Stunden, fünfzehn Minuten und egal wie viele Sekunden waren eine ausreichend lange Trauerzeit um einen Mann, den man gehasst hatte. Auch wenn man mit diesem Mann verheiratet gewesen war. Insbesondere wenn man mit diesem Mann verheiratet gewesen war, korrigierte sie sich, während sie eine Falte aus ihrem himmelblauen Seidenrock strich. Himmelblau. Was für ein herrliches Wort. Es glitt schmeichelnd über ihre Zunge und kündete von Abenteuern und fremden Gefilden. Sie liebte die Farbe Himmelblau. Sie liebte Farben generell. Doch eine Zeitlang hatte sie auch Schwarz geliebt. Schwarz war ihre Flagge der Freiheit gewesen. Die Farbe hatte das symbolische Ablegen der Fesseln der Ehe und den Übergang in den Witwenstand, mit all seinen Freiheiten, gekennzeichnet.
    Das Kapitel Schwarz war für Daisy jetzt abgeschlossen. Man sollte die Königin für ihre Beharrlichkeit in Sachen Trauer wirklich verwünschen, denn damit verdammte sie unzählige Witwen dazu, schuldbewusst ihrem Beispiel zu folgen. Andererseits war es natürlich ziemlich romantisch von ihr, und Romantik war etwas, das Daisy niemandem vorwerfen mochte. Doch für sie war ihr Trauerjahr abgeschlossen, und sie hatte ihre Pflicht und Schuldigkeit getan, um eventuellen Klatschmäulern keine Nahrung zu liefern. Jetzt war ihre Zeit gekommen.
    Barnaby, ihr Kutscher, rief den Pferden etwas zu, und das Gefährt bog scharf in eine schmale Straße ein, die sie in die Zukunft führen würde. Geselliges Zusammensein, Unterhaltung, Lachen, Leben. An einen Ort, wo Frauen kein Schwarz trugen, außer sie wollten sich mit einer geheimnisvollen Aura umgeben. Keiner hatte sie je für geheimnisvoll gehalten … für verrucht vielleicht.
    Plötzlich zog sich ihr Inneres so fest zusammen, dass sie anfing zu zittern. Einsamkeit und Angst drängten sie dazu, Barnaby den Befehl zur Umkehr zu geben. In ihrem Bett war es sicher und warm. Vielleicht war ihr ganzes Gerede ja nur Geschwätz gewesen. Vielleicht war die vergnügungssüchtige Daisy Margaret Ellis – sie weigerte sich, sich selbst Craigmore zu nennen – nichts weiter als ein Feigling …
    »Warum schnappen
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