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Im Abgrund der Ewigkeit

Im Abgrund der Ewigkeit

Titel: Im Abgrund der Ewigkeit
Autoren: Roxann Hill
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Ist das überhaupt erlaubt?“, platzte ich ohne nachzudenken heraus.
    Die Ärztin musterte mich leicht irritiert. „Kindchen, wir sind schon alt genug. Wir brauchen von niemandem eine Erlaubnis.“
    Ich spürte, wie ich rot wurde. „Da haben Sie wohl recht“, beeilte ich mich, zu sagen.
    Die Ärztin wandte sich zum Gehen. „Passt euch das, wenn ich morgen früh vorbeikomme, um den Blonden mit dem Krückstock zu untersuchen?“
    „Sicher! Der kann es kaum mehr erwarten, seine Augenbinde loszuwerden.“
    „Wenn er mich nervt, muss er sie noch eine Woche länger tragen. Sag ihm das“, brummte die Ärztin. Mit den Worten „und jetzt lass dich nicht mehr länger aufhalten“, entließ sie mich.
    Ich lief die Mole hinauf, über die großen Granitquader, bis ich den unteren Teil des Strandes erreichte. Der Sand war hier feucht und fest. Ich begann, mit weit ausladenden Schritten zu laufen.
     

 
    2
     
    M ozart bellte einmal vor Freude kurz auf und wir rasten dahin. Das Wasser spritzte unter meinen Füßen, wenn ich dem Meer zu nahe kam. Zaghaft erhoben sich Dünen. Sie wurden höher, breiter. Ohne weiter nachzudenken, rannte ich hinauf, bis zu der Stelle, an der ich mit Asmodeo gewesen war. Ich setzte mich in eine Mulde. Ringsum war ich von hellem, fast gelbem Sand umgeben, der nur durch die spärlichen Gräser festgehalten wurde. Der Wind blies sanft über meinen Kopf hinweg und über den weiten menschenleeren Strand.
    Mozart tänzelte unruhig. Er wollte jetzt keine Pause einlegen. Ich packte ihn am Halsband und sah in seine bernsteinfarbenen klugen Augen. „Ich will etwas alleine sein. Los! Geh spielen! Häschen!“ Ich gab ihm einen kleinen Klaps und er verschwand wie der Blitz.
    Einige Minuten ließ ich den Atem des Meeres auf meine innere Unruhe einwirken, bis ich merkte, dass ich mich im Einklang mit mir selbst befand. Ich öffnete den Reißverschluss der Jacke, griff an meinen Hals und nahm das Medaillon herunter. Nachdenklich betrachtete ich die funkelnden Diamanten. Sanft strich ich über deren Oberfläche.
    Ich zögerte, den Mechanismus zu betätigen.
    Fetzen von Bildern, Gefühle, eine Unzahl von Erinnerungen prasselten auf mich ein. Ich konnte mich an jede Einzelheit erinnern. Mein altes Leben lag so vertraut vor mir, als hätte ich es erst gestern geführt, als wäre keine Zeit verstrichen. Wenn ich in das Rauschen des Meeres lauschte, konnte ich die Stimme meines Kindes hören, wie es nach mir rief. Ich streckte eine Hand aus und der leblose Sand verwandelte sich in die warme Haut seiner jungen Wange. Der Himmel über mir veränderte seine Farbe, wurde zum lebendigen Grün seiner Augen.
    Das Medaillon sprang auf. Die Melodie setzte ein und riss mich mit sich fort.
    Der Jahrmarkt, die Gaukler, die zwei Kinder in den roten Capes. Die Vorstellung des Feuerspuckers, sein brennender lodernder Atem, blitzend und funkelnd in der hereinbrechenden Nacht. Dahinter die Silhouette von Elisabeth. In ihrer Hand der lange glänzende Dolch.
    Blut überall.
    Mir wurde übel. Ich schloss meine Augen, zwang die Schemen der Vergangenheit, zu verblassen. Ich konzentrierte mich, bis ich den Wind wieder spürte, der durch die Dünengräser strich und meine Tränen trocknete. Die Wellen des Atlantiks begrüßten mich zurück.
    Mein anderes Leben…
     
    Ich saß auf dem Kutschbock eines primitiven Wagens. Zwei alte Klepper zogen ihn. Die in Eisen gefassten Räder quietschten protestierend, als sie über den unebenen Weg gezogen wurden.
    Der Sommer roch herrlich. Der dichte grüne Blätterhimmel ließ vereinzelte Sonnenstrahlen hindurch und ich betrachtete die Muster, die das Licht auf meinen Unterarm zauberte.
    Vor mir sah ich zwei weitere Wagen. Hohe hölzerne Kästen, die bei jeder Bewegung bedenklich schwankten, als wären sie betrunken. Sie waren bunt bemalt. An ihren Seiten prangte mit greller, wenn auch etwas verblassender Schrift École d'escrime .
    Ich blickte zur Seite und bemerkte, wie mich ein großer dunkelhaariger Mann liebevoll betrachtete.
    „Was ist Papa?“, fragte ich.
    „Ich dachte gerade, du bist bald eine junge Dame.“
    „Ich werde heuer vierzehn Jahre alt“, erwiderte ich. „Ich kann bereits eine Kutsche lenken und jeden Abend verdiene ich mit dir mein Geld. Selbstverständlich bin ich groß.“
    „Nun“, sagte meine Papa. „Dann wird es Zeit, dass du den schönsten Fluss der Welt siehst.“
    „Wie kann ein Fluss schöner sein, als ein anderer?“
    „Warte einen Moment“, bat er
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