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Idoru

Idoru

Titel: Idoru
Autoren: William Gibson
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Sie mir nicht sagen wollen, worum es hier geht«, erklärte er dem Einohrigen, »fahr ich ins Hotel zurück. Ich bin müde.«
    »Keith Alan Blackwell.« Der Mann streckte die Hand aus.
    Laney erlaubte ihm, seine zu ergreifen und kurz zu schütteln.
    Die Handfläche des Mannes fühlte sich wie ein Sportgerät an.
    »›Keithy.‹ Lassen Sie uns was trinken und ein bißchen plaudern.«
    »Erst sagen Sie mir mal, ob Sie von Paragon-Asia sind«, verlangte Laney.
    »Das sind bloß ’n paar Codezeilen in einer Maschine in ’nem Hinterzimmer auf der Lygon Street«, sagte Blackwell. »Eine Fassade, aber man könnte sagen, es ist unsere Fassade, wenn Ihnen dabei wohler ist.«
    »Kann ich nicht grade behaupten«, sagte Laney. »Sie holen mich zu einem Vorstellungsgespräch rüber, und jetzt erzählen Sie mir, daß die Firma, bei der ich mich vorstellen soll, gar nicht existiert.«
    »Klar existiert sie«, sagte Keith Alan Blackwell. »Sie ist in der Maschine auf der Lygon Street.«
    Eine Kellnerin kam herbei. Sie trug einen formlosen blauen Overall und kosmetische blaue Flecken.
    »Ein großes Kirin vom Faß. Kalt. Und Sie, Laney?«
    »Eiskaffee.«
    »Coke Lite, bitte«, sagte derjenige, der sich als Yamasaki vorgestellt hatte.
    »Schön«, sagte der ohrlose Blackwell mürrisch, als die Kellnerin im Dunkeln verschwand.
    »Ich würde es begrüßen, wenn Sie mir erklären könnten, was wir hier machen.« Laney sah, daß Yamasaki wild auf dem Bildschirm eines kleinen Notebooks herumkritzelte. Der Lichtstift blinkte schwach im Dunkeln. »Schreiben Sie das -16—mit?« fragte er.
    »Verzeihung, nein. Mache Notizen über
    Kellnerinnenkostüm.«
    »Warum?« fragte Laney.
    »Verzeihung«, sagte Yamasaki, speicherte ab, was er geschrieben hatte, und schaltete das Notebook aus. Er steckte den Stift sorgfältig in eine Vertiefung an der Seite. »Ich studiere solche Dinge. Es ist meine Gewohnheit, ephemere Erscheinungen der Alltagskultur aufzuzeichnen. Ihr Kostüm wirft die Frage auf: Reflektiert es nur Thema dieses Clubs oder repräsentiert es tiefergehende Reaktion auf Trauma des Erdbebens und anschließenden Wiederaufbau?«

2
Lo Rez Skyline
    S ie trafen sich auf einer Dschungellichtung. Kelsey hatte die Vegetation gemacht: große, leuchtende rousseausche Blätter und Comic-Orchideen, in Farben gesprenkelt, die sie für tropisch hielt (was Chia an die Parfümeriekette erinnerte, die in Einkaufszentren ›organische‹ kosmetische Produkte in Farben verkaufte, die der Natur völlig unbekannt waren). Der Ton war von Zona, der einzigen Telepräsenten, die je so was wie einen richtigen Dschungel gesehen hatte: Vogelgeschrei, unsichtbare, aber realistisch mit Dopplereffekt vorbeisurrende Käfer und gelegentlich ein Vegetationsgeraschel, das auf kunstvolle Weise nicht an Schlangen, sondern an ein scheues, aber neugieriges Pelzding mit Samtpfoten denken ließ.
    Das Licht, soweit vorhanden, sickerte durch ein hohes, grünes Blätterdach herein und war Chia entschieden zu disneymäßig – obwohl man eigentlich kein ›Licht‹ brauchte an einem Ort, der aus nichts anderem bestand.
    -17—
    Zona, deren blauer, aztekischer Totenkopf körperlos leuchtete und deren blaue Geisterhände wie Tauben unter dem Stroboskop flatterten: »Gar keine Frage, diese schwanzlose, körperlose Hure hat es geschafft, seine Seele zu umgarnen.«
    Stilisierte Zickzackblitze zuckten in bewußter Betonung oben um den Neonschädel herum auf.
    Chia fragte sich, was sie wirklich gesagt hatte. War ›schwanzlose Hure‹ eine Schöpfung simultaner Online-
    Übersetzung, oder konnte und würde man so was auf Mexikanisch wirklich sagen?
    »Warten noch auf definitive Bestätigung der Ortsgruppe Tokio«, rief ihnen Kelsey in Erinnerung. Kelseys Vater war Steueranwalt in Houston, und sein spezieller beruflicher Jargon pflegte zum Zeitpunkt solcher Treffen auf seine Tochter überzuspringen; ebenso wie eine gewisse Fähigkeit zu warten, die Chia enervierend fand, besonders wenn sie sich bei einer Nymphe mit tellergroßen Augen aus einer alten Anime, einer Animation, zeigte. Wie Kelsey im wirklichen Leben – falls sie sich jemals auf diese Weise treffen sollten – garantiert nicht aussehen würde. (Chia präsentierte sich selbst momentan in einer ihrer Ansicht nach nur leicht aufgepeppten Version ihres wahren Äußeren, wie es der Spiegel ihr zeigte. Weniger Nase vielleicht. Ein bißchen vollere Lippen. Aber das war’s auch schon. Beinahe.)
    »Genau«, sagte Zona. Winzige
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