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Ich zähle bis drei

Ich zähle bis drei

Titel: Ich zähle bis drei
Autoren: Carter Brown
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Nummer siebzehn
gehörte zu einer eleganten, dreistöckigen Häuserreihe. Ich bezahlte die Taxe
und klopfte dann ein paarmal mit dem Löwenkopfklopfer gegen die Bronzeplatte.
Der Knabe, der wenige Sekunden später die Tür öffnete, schien soeben aus einer
fünffarbigen Anzeige für den englischen Gentleman herausgestiegen zu sein. Er
war groß gewachsen, schlank und trug genau den Anzug, der zu Melone und Schirm
paßt, den Schirm zu allen Zeiten zusammengerollt, vornehmlich zur Regenzeit.
Irgendwie an die Vierzig, schätzte ich, mit dichtem braunem Haar, schläfrigen
blauen Augen und einem schlaffen, zügellosen Mund.
    »Sie müssen Boyd sein,
natürlich .« Vom kultivierten Tonfall seiner Stimme
konnte jeder pensionierte Oberst hundert Jahre lang zehren. »Ich bin Waring.
Bitte, kommen Sie herein .«
    Ich trat in eine briefmarkengroße
Eingangshalle. Er schloß sorgfältig die Tür und führte mich in einen arg chintziggeratenen Wohnraum. Die Sessel sahen aus wie ein
zurückgewiesenes Krönungsgeschenk an Königin Victoria.
    »Bitte nehmen Sie Platz .« Ein träges Pendeln seiner Hand dirigierte mich auf einen
Sessel. »Möchten Sie Tee ?«
    »Nein, vielen Dank.« Ich
unterdrückte ein Schaudern.
    »Gott sei Dank.« Er setzte sich
mir gegenüber. »Finde das Zeug selbst ungenießbar .« Sein Lächeln enthüllte vorstehende, unregelmäßige Zähne. »Ich darf vermuten,
daß Daphne mir keinen Bären aufgebunden hat? Ich meine, es stimmt doch, daß
Sorchas Juwelen in Mexiko gestohlen wurden ?«
    »Ja«, sagte ich.
    »Und einer ihrer Gäste muß der
Dieb gewesen sein? Welch deprimierender Gedanke.«
    »Sie waren einer ihrer fünf
Gäste«, knirschte ich. »Das ist vorstellbarerweise ein noch deprimierenderer Gedanke .«
    »Verehrter Mr. Boyd.« Das
Lächeln wurde herablassend. »Ich versichere Ihnen, daß ich nicht im mindesten
den Wunsch hätte, diese ordinären Juwelen zu besitzen — sie zeugen von äußerst
schlechtem Geschmack, müssen Sie wissen —, und ich brauche den Preis nicht, den
sie erzielen könnten. Aber wenn ich Ihnen irgendwie behilflich sein kann, tue
ich es mit dem größten Vergnügen .«
    »Sie könnten mir verraten, wo
ich Marvin Reiner finde .«
    »Fürchte, da muß ich passen, alter Knabe. Marvin gehört zur geheimnisvollen
Sorte. Man weiß nie genau, wo man ihn finden könnte .«
    »Na, na, denken Sie doch mal
nach«, schnarrte ich.
    »Ich versichere Ihnen, ich habe
keine Ahnung .«
    Ich schoß blitzschnell aus dem
Sessel auf ihn zu, schnappte mir eine Handvoll Hemd und hievte ihn auf die
Füße. Im nächsten Augenblick blickte ich in die entgegengesetzte Richtung,
zusammengeknickt und einen Arm schmerzhaft hinter den Rücken gedreht. Was sich
wie eine Dampframme anfühlte, knallte mir ins Genick und trieb mich in meinen
Sessel zurück, nur diesmal mit dem Gesicht nach unten. Ich rührte mich erst
wieder, als ich vergleichsweise sicher sein konnte, daß ich weiterleben würde.
Ich manövrierte mich vorsichtig in eine etwas orthodoxere Stellung auf dem
Sessel, bis statt meines Gesichts wieder mein Hinterteil den Sitz schmückte.
    »Tut mir leid«, sagte Waring
entschuldigend, »aber ich verabscheue physische Gewaltanwendung, darum pflege ich
mein Judo .« Er schob die Hand in seine Tasche und
holte sie mitsamt einer Kanone wieder heraus. »Immerhin ist es vorstellbar, daß
diese kleine Kostprobe Sie geneigter für eine vertrauliche Unterredung gemacht
hat .«
    Ich rieb tüchtig meinen Nacken.
»Und worüber?«
    »Über das Komplott, die
Verschwörung gegen mich. Sie spielen offensichtlich eine Starrolle dabei .« Der schläfrige Ausdruck war aus seinen Augen gewichen,
sie funkelten jetzt eiskalt. »Ich bin absolut entschlossen, der Sache bis auf
den Grund zu gehen, selbst wenn es bedeutete, daß ich von meiner Pistole
Gebrauch machen muß .«
    »Ich weiß wahrhaftig nicht,
worüber, zum Teufel, Sie reden .«
    »Sehen Sie, ich zerbreche mir
ernsthaft den Kopf, wieso Sorcha sich zu einem solchen Aufwand hinreißen läßt.
Ich wüßte keinen Grund, warum sie mich hassen oder auch nur nicht mögen sollte.
Ich glaubte, wir seien Freunde .«
    »Der antike Schmuck, den sie
mit in Mexiko hatte, wurde ihr von einem ihrer Hausgäste gestohlen«, erklärte
ich verdrossen. »Sie hat mich engagiert, um den Dieb zu finden und den Schmuck
zurückzubringen. Der Dieb muß einer der fünf Gäste sein, die mit ihr dort
waren. Das ist alles .«
    »Sie würden die Schmuckstücke
wiedererkennen, schätze ich
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