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Ich und Karl der Große: Das Leben des Höflings Einhard (German Edition)

Ich und Karl der Große: Das Leben des Höflings Einhard (German Edition)

Titel: Ich und Karl der Große: Das Leben des Höflings Einhard (German Edition)
Autoren: Steffen Patzold
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Streitparteien hereinzuführen, und sprach (sobald er sich ein Bild von dem Fall gemacht hatte) das Urteil, als ob er zu Gericht säße; und nicht nur das erledigte er zu dieser Stunde, sondern auch alles andere, das an diesem Tag an Amtsgeschäften anstand oder einem der Untergebenen aufzutragen war.
    Einhard, Vita Karoli, c. 24

D as Geschlecht der Merowinger, aus dem sich die Franken die Könige zu erheben pflegten, reichte – so meint man gemeinhin – bis zum König Childerich, der auf Befehl des römischen Bischofs abgesetzt, geschoren und ins Kloster eingewiesen wurde. Auch wenn es aber erst mit Childerich erloschen scheinen könnte, hatte es doch schon lange keine Tatkraft und nichts Herausragendes mehr an sich als einen hohlen Königstitel. Sowohl das Heer wie auch die Macht über das Reich hatten nämlich die Vorsteher des Hofes inne, die »Hausmeier« hießen und denen die ganze Fülle der Befehlsgewalt eignete. Dem König ließ man nichts anderes übrig als dies: Allein mit dem königlichen Titel sich begnügend, mit langem Haar und ungestutztem Barte, saß er auf dem Thron und spiegelte die äußere Erscheinung eines Herrschers vor, hörte Legaten von allerorten an und erteilte ihnen, bevor sie aufbrachen, diejenigen Antworten, die man ihm angelernt oder gar anbefohlen hatte, als ob er aus eigener Machtvollkommenheit spräche. Denn außer dem unnützen Titel eines Königs und dem Gnadenbrot, das ihm der Vorsteher des Hofes nach Gutdünken gewährte, besaß er nichts zu Eigen als einen einzigen Güterkomplex (und zwar einen mit sehr dürftigen Einkünften). Dort hatte er ein Haus und eine kleine Schar von Dienern, die ihm das Notwendige darbrachten und Gehorsam erwiesen. Wohin auch immer er reisen musste – er legte den Weg auf einem Karren zurück, der von zusammengespannten Ochsen gezogen wurde, nach Bauernart fortbewegt von einem Ochsentreiber. So pflegte er zum Palast zu fahren, so auch zur öffentlichen Zusammenkunft seines Volkes, die man Jahr für Jahr zum Nutzen des Reiches mit reger Teilnahme abhielt; und so pflegte er dann auch wieder nach Hause zurückzukehren. Die Führung des Reiches aber und alles, was im Inneren und nach außen hin zu steuern und zu ordnen war, besorgte der Vorsteher des Hofes.
    Einhard, Vita Karoli, c. 1

N achdem ich mir in den Kopf gesetzt hatte, das Leben und den Umgang und zu einem sehr großen Teil die Taten meines Herrn und Gönners Karl, des hervorragendsten und mit Fug und Recht berühmtesten Königs zu beschreiben, habe ich mich, so sehr ich nur konnte, der Kürze befleißigt und mein Bestreben darauf gerichtet, nichts auszulassen von den Dingen, die zu meiner Kenntnis gelangen konnten, aber auch nicht durch ausuferndes Erzählen die Gemüter derjenigen zu beleidigen, die einen Widerwillen gegen alles Neue empfinden (wenn man denn überhaupt vermeiden kann, diejenigen durch eine neue Schrift zu beleidigen, die sogar gegen alte und von den gelehrtesten und beredtesten Männern geschaffene Denkmäler Widerwillen empfinden). Ich bezweifele nicht, dass es viele gibt, die – der Muße und der Gelehrsamkeit hingegeben – den Zustand des gegenwärtigen Zeitalters nicht für derart vernachlässigenswert halten, dass alles, was nun geschieht, ganz und gar der Stille und dem Vergessen anheimgegeben werden solle, als ob es keiner Erinnerung würdig wäre; und die eher, verführt von der Liebe zur Dauerhaftigkeit, die hochberühmten Taten anderer in irgendwelche Schriften gießen wollen, als der Erinnerung der Nachwelt den Ruhm ihres eigenen Namens dadurch vorzuenthalten, dass sie nichts schreiben. Und doch habe ich gemeint, mich selbst von solcherart Schrift nicht zurückhalten zu sollen, als ich mir bewusst geworden war, dass niemand wahrhaftiger als ich diese Dinge schreiben könne, bei denen ich selbst dabei war; Dinge, die ich – als Augenzeuge, wie man sagt, anwesend – erfahren habe, und von denen ich nicht sicher habe wissen können, ob sie von einem anderen beschrieben werden oder nicht. Und ich habe es für besser gehalten, diese Dinge gemeinsam mit anderen – gleichsam als Gemeinschaftswerk – schriftlich zu fassen und auf diese Weise der Erinnerung der Nachlebenden zu überliefern, als zu erdulden, dass das berühmteste Leben des herausragendsten und zu seiner Zeit größten aller Könige und seine hervorragenden und von Menschen der modernen Zeit kaum nachzuahmenden Taten ausgelöscht werden in den Schatten des Vergessens. Damit verbunden war noch ein
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