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Ich schenk mir taeglich rote Rosen

Ich schenk mir taeglich rote Rosen

Titel: Ich schenk mir taeglich rote Rosen
Autoren: Erma Bombeck
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nicht versucht, auszusehen wie fünfundzwanzig«.
    Fünfzig! Norma Desmond war die ganzen letzten Jahre fünfzig gewesen? Ich hatte sie immer für mindestens 97 gehalten. Schreckensstarr sah ich, wie sie die große Treppe herunterschritt, im Licht der Scheinwerfer, während die Kameras kurbelten. Fünfzig! Die war ja noch ein halbes Kind!
    Ich knipste das Licht im Badezimmer an und musterte mich gründlich. Da wurde einem immer erzählt, Altern sei ein allmählicher Prozeß. Das stimmte einfach nicht. Ich ging abends ins Bett und wachte am nächsten Morgen mit sämtlichen Altersleiden auf, die ich in den nächsten zehn Jahren zu erwarten hatte.
    Über Nacht entwickelte sich bei mir die SPEISEKARTENBLINDHEIT. Zuerst dachte ich, es läge am Schummerlicht der Kerzen. Dann, es läge am zu kleinen Druck. Als ich die Speisekarte auf den Fußboden werfen, oder den Ober bitten mußte, damit bis an die Wand zurückzuweichen, ehe ich sie lesen konnte, wurde klar, daß ich eine Brille brauchte.
    Als nächstes befiel mich die ANGST VOR MENSCHENANSAMMLUNGEN. Zwar hatte
    ich mich jahrelang davor gefürchtet, doch hatte mich niemand auf den Moment vorbereitet, in dem ich bei Klassentreffen aufkreuze und einer nach dem anderen zu mir sagt: »Du siehst phantastisch aus.«
    Eine Zwanzigjährige begrüßt man mit: »Wie geht’s denn?«
    Eine Dreißigjährige mit: »Was machst du so?« Das ist allgemein bekannt. Ist man aber erst auf dem absteigenden Ast, so lautet die Standardbegrüßungsformel: »Du siehst phantastisch aus«, wobei manchmal noch ein: »Im Ernst« folgt, das als Beruhigung gemeint ist.
    Mit VORZEITIGER NOSTALGIE hatte ich gerechnet. Tag für Tag mußte ich mit
    ansehen, wie meine High School-Jahre im Fernsehen verhöhnt und verspottet wurden. Meine damaligen Kleider wurden wieder modern, die Schlager meiner Jugend wurden leicht imitiert durch den Kakao gezogen. Eine Weile versuchte ich ein ausdrucksloses Gesicht zu machen, wenn jemand Charles Aznavour erwähnte, doch damit täuschte ich niemanden.
    Am schwersten gewöhnte ich mich an das PILLEN-46-SYNDROM. Morgens sah ich auf das Fensterbrett über meiner Spüle und dort stand eine Reihe von Pillen, die mich einsatzfähig machen sollten. Nützen taten sie offenbar nichts, sie standen nur so da, kleine Glasbehälter mit kindersicherem Schraubverschluß. Ich bekam trotzdem immer noch nachts Wadenkrämpfe, wenn ich auf einer Party hohe Absätze getragen hatte.
    Mein NACHLASSENDES GEDÄCHTNIS wurde ein klassischer Fall. Ich bekam einen
    Salz-Spleen. Irgendwann einmal ging mir das Salz aus, und ich nahm mir vor, welches zu kaufen. Ungefähr zwei Jahre lang kaufte ich jede Woche ein Päckchen Salz, weil ich nicht mehr wußte, ob ich es nun schon gekauft hatte oder nicht. Und wenn ich versuchte, mich an das Alter meines mittleren Kindes zu erinnern, mußte ich immer zum Jahr seiner Geburt zurück und von dort aus weiterzählen.
    Mein Gedächtnis wurde so schlecht, daß ich sogar Klatsch vergaß, den nicht weiterzusagen ich beim Grabe meiner Großmutter gelobt hatte. Aber das ärgste Leiden meiner Midlife-Krise bestand darin, daß mir mein Körper den Dienst verweigerte. In meiner Jugend sagt mein Hirn zu meinen Füßen: »Steig in den zweiten Stock, und nimm die Wäsche mit.« Das ging nicht mehr.
    Die Beine rebellierten, und ich stapelte so viele Sachen am Fuß der Treppe auf, daß ich mir danach fast das Kreuz brach.
    Ich habe das Kapitel über die Resignation wohl hundertmal gelesen und wurde dabei jedesmal deprimierter. Das klang ja, als näherte ich mich dem Höhepunkt meiner Senilität.
    Es war schon etwa Mitte Juli, da verkündete meine Tochter, sie ginge auf ein College im nördlichen Teil des Staates und sei sehr glücklich darüber.
    Mit meinem Friseur, Mr. Steve, sprach ich vertraulich über ihren Entschluß. »Sieht das den Kindern nicht wieder ähnlich? Man widmet ihnen sein Leben, füttert sie, sitzt mit ihnen die ganze Nacht unter einem Zerstäuber, stopft sie voll Vitamine, läßt ihre Zähne regulieren, ihre Haare dauerwellen, sorgt für sie, liebt sie, und kaum sind sie um die Zwanzig, gehen sie auf und davon und lassen einen allein.«
    »Ich dachte, das wollten Sie?« sagte er.
    »Nein, das wollte ich natürlich nicht. So was gehört zum Midlife-Zyklus, Begreifen Sie doch: Mein ganzes Leben ist vorprogrammiert, und in einem gewissen Alter muß ein anderer Gang eingelegt werden, mit dem es dann in die nächste Phase geht. Ich habe keine Kontrolle
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