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Ich lege Rosen auf mein Grab

Titel: Ich lege Rosen auf mein Grab
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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alten Haus an der Osterholzer Dorfstraße für ewig eingenistet hatte.
    Ein Testament gab es nicht, doch die Leute waren fair genug, ihm für die Zeit seiner Krankenhaus- und Klinikaufenthalte das Prokuristengehalt zu zahlen beziehungsweise nachzuzahlen, so daß er erst einmal ein ganz hübsches Startkapital hatte und sich vor allem einen Gebrauchtwagen zulegen konnte, was wichtig war, wenn er Mugalle jagen wollte.
    So machte er sich auf den Weg von Bremen nach Bramme und war so mit sich und seinen Gedanken beschäftigt, daß er sich auf halber Strecke verfuhr, die Stadt schließlich nur über einen erheblich längeren Weg von Süden her erreichen konnte.
    Doch als er dann das Schild entdeckte «Bad Brammermoor 5 km», da glaubte er zu wissen, woher das kam: Im Unbewußten zog es ihn zu seiner Strafanstalt zurück.
    Da hielt er dann tatsächlich, wenn auch in einiger Entfernung, war nämlich voller Angst, aus der Backsteinfestung könnte plötzlich ein unsichtbarer Arm herausschnellen und ihn wieder in den B-Flügel zurückbefördern, in seine alte Zelle.
    Andererseits bezweifelte er, jemals dort gesessen zu haben. Ich, Jens-Otto Jossa, unmöglich! Ich hab doch nie was Unrechtes getan.
    Ein schwer vergitterter Wagen kam am Haupttor an, und Eike Kassau erschien, die Neuen in Empfang zu nehmen. Futter für die Steine, neue Menschenseelen waren auszusaugen. Die heiße Sommersonne knallte derart auf den Kopf des JVA-Beamten, daß er leicht zu dampfen schien, wie ein frisch serviertes Eisbein wirkte. Doch wie immer lachte Kassau, war er guter Laune.
    Jossa mußte schmunzeln, Haß empfand er keinen, weder gegen Kassau noch den Knast im allgemeinen. Hatte oft Terroristisches gedacht, den Kasten völlig in die Luft zu sprengen, doch heute sah er alles in viel milderem Licht. Wußte er denn, ob sein Leben wirklich der große Höhepunkt geworden wäre, hätte man ihn nicht mit Mugalle verwechselt? Vielleicht wäre es noch schlimmer gekommen, Aids oder Querschnittslähmung, im Libanon entführt, im abstürzenden Flugzeug minutenlang gefoltert, dann verbrannt, im Affekt zum Mörder geworden. Es gab eine hohe Marge Unglück, der er so entronnen war.
    Alles schön und gut, doch so lange war kein Schlußstrich unter alles zu ziehen, wie es ihm nicht glückte, die Welt von seinem Jossa-Sein zu überzeugen. Und das war jetzt noch um ein Erhebliches schwerer geworden als damals vor zwei Jahren, denn nun «zierte» ja eine beträchtliche Narbe seinen Kopf, saß rechts über der Schläfe ein ziemliches Loch, von den Haaren nicht immer genügend verdeckt, würde jeden noch hundertmal stärker an seinen Worten zweifeln lassen, daß er der Jossa sei und nicht Mugalle, denn: «Der mit seinem Kopfschuß!» würden alle denken, und zwar ganz reflexartig. Zu erwarten hatte er überall ein Riesengelächter. Oder?
    Egal, wenn es eine Chance gab, dann hier in Bramme.
    So fuhr er an Pötterberg und Windmühle vorbei auf die Brammermoorer Heerstraße zu und erreichte nach einer knappen Viertelstunde die Brücke über den Fluß, stellte hier sein Fahrzeug ab und ging zu Fuß zur Altstadt hinüber.
    Bramme.
    Die «Bürgermeister Büssenschütt» kam von einer ausgedehnten Rundfahrt zurück und ließ ihre Doppelkorn-getränkten Passagiere unter der großen Brücke fröhlich grölen. Bunte Tretboote krochen mühsam stromauf, voller Ehrgeiz, die Badeinsel in der Mitte des Flusses einmal zu umrunden. Kinder rutschten lärmend ins Wasser, schluckten das trübe Kühlwasser der Buthschen Fabriken. An der Fassade der Stadtbibliothek wuchs ein Gerüst langsam in die Höhe, und die Männer, die sich da mühten, waren von professionellem Akrobatengeschick; Jossa zuckte Mal um Mal zusammen, wenn sie über Abgründe sprangen und sich hangelten. Wenn er sich ein wenig am Brückengeländer hochstemmte, konnte er die Uhr am Rathausturm erkennen. Davor ein Hochhaus mit genormten Waben. Fährgasse, sein Apartment, Packhofstraße, ah, ja…
    Sein Herz schlug spürbar schneller, denn die Fragen, die ihn nun bewegten, hatten höchsten Stellenwert für ihn, wußte er doch nicht, daß sie an sich überflüssig waren. Welches Namensschild, wen würde er da finden? Noch immer Jossa? Nein, unwahrscheinlich, daß Mugalle dort noch immer unter seinem Namen lebte. Aber, großes Fragezeichen, was war aus ihm geworden? Im Knast hatte er nur höchst unregelmäßig die Zeitungen zu lesen bekommen; da konnte viel geschehen sein, ohne daß er eine Chance gehabt hätte, es irgendwie in
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