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Ich krieg dich!: Menschen für sich gewinnen - Ein Ex-Agent verrät die besten Strategien (German Edition)

Ich krieg dich!: Menschen für sich gewinnen - Ein Ex-Agent verrät die besten Strategien (German Edition)

Titel: Ich krieg dich!: Menschen für sich gewinnen - Ein Ex-Agent verrät die besten Strategien (German Edition)
Autoren: Leo Martin
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Umfeld. Zum Beispiel können Sexualität, Abwertung anderer Menschen oder die finanziellen Verhältnisse dazugehören. Daran sehen wir besonders deutlich, wie unterschiedlich die Werte in verschiedenen Kulturen sind. Agenten vergessen diese Tatsache nie und informieren sich stets gründlich über den kulturellen Background ihres Umfeldes. Während es in Amerika in manchen Kreisen üblich ist, sich schon beim ersten Shakehands zu erzählen, wie viel man pro Jahr verdient – Hi, ich bin George, und mein Einkommen beträgt zweihundertfünfzigtausend Dollar –, würde das bei einer deutschen Party eher auf Befremden stoßen.
    In jedem Land gibt es gewisse Kulturstandards. Darunter versteht man alle Arten der Wahrnehmung, des Denkens, Wertens und Handelns, die von der Mehrzahl der Mitglieder einer bestimmten
Kultur für sich und andere als normal, typisch und verbindlich angesehen werden. Alles, was anders ist, wird als fremd oder komisch beurteilt. Als Deutsche in Deutschland wird uns das nicht passieren. Wir kennen die Spielregeln in unserem Umfeld. Doch sobald wir mit Menschen aus anderen Kulturen zu tun haben, kann sich das ändern. Sicher fällt Ihnen dazu auch ein Bespiel ein – vermutlich aus der »interpersonalen Distanzregelung«. In Deutschland ist es üblich, zwischen bekannten und fremden Menschen zu unterscheiden. Fremde Personen, die uns vorgestellt werden, begrüßen wir per Handschlag mit distanziertem Körperkontakt, während wir bei Freunden zu näherem Körperkontakt tendieren und sie auch mal umarmen. So ist es »normal«, zumindest in Süddeutschland. Denn auch innerhalb Deutschlands wird der Deutsche schnell zum Fremden – das merken schon viele Norddeutsche in Süddeutschland. Fremde Länder, fremde Bräuche. Einen ganz wildfremden Amerikaner, der uns umarmt und noch dazu gleich duzt, oder gar einen Mexikaner, der uns freudig zwei Küsse auf die Backen knallt und uns am liebsten gleich seiner dreißigköpfigen Familie vorstellen möchte – und alle wollen küssen! – , finden wir vielleicht nicht mehr so normal. Nun, der Mexikaner findet uns auch nicht normal.
    Das Wissen um die Verhaltensregeln innerhalb der Kultur jener Menschen, mit denen Sie zu tun haben, sollte Ihnen jederzeit präsent sein. Einem gläubigen Moslem gegenüber müssen Sie nicht unbedingt erwähnen, dass Ihre Frau jetzt einen Liebhaber hat und dass Sie das ganz spannend finden, so als Experiment. Und wo Golf als Hobby zu versnobt wirken könnte, lassen Sie es außen vor.
    Prinzipiell gilt: Je privater Sie werden, desto besser ist das für ein Vertrauensverhältnis. Es ist nicht förderlich, Beruf und Privatleben strikt zu trennen, ganz im Gegenteil. Dennoch sollten wir die
Kontrolle nicht aufgeben und uns stets darüber bewusst sein, welche Bereiche wir vor der beruflichen Öffentlichkeit preisgeben – und welche eben nicht.

Die Ankündigung
    Auch nach dem Obstkuchen besserte sich Tichows Laune nicht. Am Nebentisch packten zwei mittelalte Frauen Lesebrillen aus, die sie offensichtlich gerade erstanden hatten, und setzten sie sich abwechselnd auf die Nasen. Ich erzählte Tichow, dass ich meine Mutter in der letzten Woche zufällig bei einem Optiker getroffen und sie mit ihrer neuen Brille auf den ersten Blick kaum erkannt hatte.
    »Mein Sohn braucht vielleicht auch eine Brille«, erwiderte Tichow, atmete schwer und schob seinen Teller weit von sich.
    »Sonst alles okay?«, fragte ich. »Wie läuft’s? Ist noch irgendwas passiert nach dem Zugriff?«
    »Niemand denkt darüber nach, ob ich etwas damit zu tun habe. Die Polizei hat uns ja vor dem Treffen überfallen.«
    Leicht amüsiert nahm ich seine Wortwahl zur Kenntnis.
    »Ich war zu weit weg. Ist gut gelaufen für mich.«
    »Prima«, erwiderte ich.
    »Sie haben die Merw-Route jetzt eingestellt«, ließ er mich wissen.
    »Damit habe ich gerechnet«, erwiderte ich und überlegte, ob ich es für heute gut sein lassen sollte. Tichow war überhaupt nicht gesprächig. Da räusperte er sich und sagte: »Leo, ich muss weg.«
    »Wie weg?«
    »Ich muss morgen nach Russland.«
    Erfreut nahm ich zur Kenntnis, dass er mir seine Reise ankündigte. Das war ein gutes Zeichen. Er hielt mich auf dem Laufenden. Genauso sollte es sein. Er tauchte nicht einfach unter, er meldete sich ab.
    »Gibt’s einen besonderen Anlass?«, fragte ich locker.
    »Mein Sohn. Er ist krank. Sehr krank.«
    Ich musterte ihn fragend. »Hoffentlich nichts Ernstes?«
    »Sehr ernst«, erwiderte er mit Grabesstimme.
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