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Ich kenne dich

Ich kenne dich

Titel: Ich kenne dich
Autoren: Jenn Ashworth
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ihm, als würde ich ihn führen. Ich ließ ihn nur herankommen, wenn ich mir nicht sicher war, in welche Richtung ich als Nächstes gehen musste. Er tippte mir auf die Schulter, aber hielt mich nicht daran fest.
    Es war derselbe Winter, in dem die Stadt von einem anonymen Triebtäter heimgesucht wurde, der jungen Mädchen im Park und an Bushaltestellen auflauerte, um sich vor ihnen zu entblößen. Die Medien berichteten fieberhaft darüber. Es gab mehr Polizeipräsenz an öffentlichen Plätzen, und es wurde über eine Ausgangssperre diskutiert. Kein Mann wollte damit in Zusammenhang gebracht werden und das Wort »angefasst« von einer Vierzehnjährigen hören. Chloe wusste das.
    Im Hinterzimmer gab ich ihm meinen richtigen Namen.
    »Wo wohnst du?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Sie dürfen mich nichts fragen, solange mein Vater nicht hier ist«, sagte ich und leerte meine Taschen. Ein Feuerzeug und eine Rolle Polos.
    »Das ist alles? Was ist mit deiner Jacke?«
    »Ich habe nichts«, sagte ich. »Sie können mich nicht festhalten.« Ich hielt meine Jacke auf, um ihm zu zeigen, dass ich nichts darunter versteckte.
    »Was ist mit deiner Freundin? Wie heißt sie?« Vor ihm war ein Notizblock, aber der Bleistift lag auf dem Schreibtisch, nicht in seiner Hand. Er sah verschwitzt und gelangweilt aus.
    Selbst in das Hinterzimmer wehten die Töne von »White Christmas«, gespielt auf Panflöte. Eine Tasse mit kaltem Kaffee und eine alte Ausgabe des Mirror befanden sich auf dem Schreibtisch vor ihm. Er warf einen sehnsüchtigen Blick auf die Zeitung.
    Ich lächelte. »Ich weiß nicht, wen Sie meinen.«
    »Die Blonde. Die Hübsche. Du weißt genau, wen ich meine. Wie heißt sie?«
    »Sie sollten mich wirklich nicht in Abwesenheit meiner Eltern befragen. Kann ich Ihren Namen haben? Und wie ist die Dienstnummer auf Ihrem Ärmel? Das wäre nämlich ganz nützlich, danke.«
    Ich schrieb die Nummer mit dem Bleistift auf den Notizblock, dann riss ich das Blatt ab und schob es in meine Gesäßtasche. Er seufzte.
    »Laura Webb. Ich kenne jetzt dein Gesicht. Du gehst auf die Valley School?«
    Ich nickte. Er hatte offenbar das Abzeichen auf meinem Rucksack gesehen.
    »Das heißt, du musst hier in der Gegend wohnen. Ich werde deine Adresse rausbekommen und mit deinen Eltern reden. Sie werden mir schon sagen, wie deine hübsche Freundin heißt.«
    »Sie hat nichts geklaut«, sagte ich. »Und ich auch nicht.«
    Ich schaufelte die Pfefferminzrolle und das Feuerzeug in meine Hand und spazierte hinaus. Auf dem Weg nach Hause trödelte ich, weil ich darauf wartete, dass Chloe plötzlich irgendwo hervorsprang, die Taschen voll mit klimperndem Schmuck. Als ich ankam, hatte der Wachmann bereits im Telefonbuch gesucht und Barbara angerufen, um ihr mitzuteilen, dass ich ab sofort Hausverbot in unserem Debenhams und in allen anderen Filialen hatte – lebenslang.
    An jenem Nachmittag holte ich Chloe nicht ein. Ich nehme an, sie hatte beobachtet, wie ich angesprochen wurde, und war schnell nach Hause geflitzt. Das mochte vielleicht herzlos wirken, aber es ergab keinen Sinn, dass wir beide uns schnappen ließen, und außerdem geschah es mir recht, wie sie wahrscheinlich sagen würde, weil ich nicht so gut aufgepasst hatte wie sie.
    Als ich zurückkam, erwartete mich Barbara bereits. Sie öffnete die Tür, noch bevor ich das Grundstück betreten hatte. Manchmal lauerte sie in der Diele und riss die Tür auf, wenn ich den Schlüssel ins Schloss steckte, aber an jenem Tag starrte sie mir in der offenen Tür entgegen, während ich immer noch am Gartentor herumfummelte. Ihre Ponyfransen klebten an der Stirn, und sie trug eine Schürze, auf der das Rezept für schottische Graupensuppe abgedruckt war. Wir hatten dazu ein passendes Geschirrtuch und einen Satz Suppenteller.
    »Rein mit dir«, sagte sie und sah an mir vorbei auf die Straße, als würde dort ein voll besetzter Mannschaftswagen der Polizei stehen und ein Mann im weißen Overall ein Absperrband zwischen dem Kirschbaum und dem Torpfosten abrollen. Ich war nicht schnell genug: Sie packte mich an der Schulter und zerrte mich ins Haus.
    Das war das zweite Mal, dass ich an jenem Tag unsanft behandelt wurde. Das dritte Mal, zählt man die Frau mit dem Regenschirm dazu, was ich tat, denn sie hatte sich nicht entschuldigt. Wieder wurde ich gezwungen, meine Taschen zu leeren. Ich hatte damit gerechnet und das Feuerzeug in meinen Jeansbund gesteckt. Es drohte also keine Gefahr.
    »Ich hab nichts
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