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Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Titel: Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter
Autoren: Mary Bauermeister
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gereicht –, kamen synchron auf und rannten weiter, alles in genau gleichem Sprungrhythmus. Es fiel uns beiden auf. Viele Jahre später würde er in einem Brief an mich auf dieses erste gemeinsame »Takten« zwischen uns zurückblicken. Im Einklang sein, sich im gleichen Schritt bewegen – nun, das war für den Moment doch noch innerhalb des Erlaubten. Dass wir uns mochten, war freilich nicht zu übersehen. Aber wir siezten uns, wie damals üblich, und dadurch war nach außen klar definiert, dass wir einen Abstand einhielten.
    Wir fuhren weiter. Meine morgendliche Sympathie für Cornelius wechselte übergangslos zu Stockhausen. Ich war erregt und glücklich, dass ich nun neben ihm im Auto sitzen konnte, erschrak aber, als er meine Schulter in unmissverständlicher Weise berührte. Schon befand ich mich in einem Konflikt: Was ist Treue? Denn vorne saß doch seine Frau am Steuer, Doris, die aus einer Hamburger Reederdynastie kam. Mit ihr war Stockhausen seit 1951 verheiratet, sie hatten zu dieser Zeit bereits die drei Kinder Suja, Christel und Markus, zu denen später noch Majella kam.
    Neben Doris saß David Tudor, die beiden waren sich sympathisch. David galt eigentlich als Asket. Ehe und Künstlersein schienen ihm unvereinbar, also hatte er seine Frau verlassen und lebte nun allein. Doch bei den Ferienkursen war er eines Morgens mit einer Frau aus seinem Zimmer gekommen. Nun, im Auto, wollte Doris es genau wissen: »Ach, David, ich dachte, du lebst ein asketisches Leben als Einsiedler und betreibst nur Nabelschau wie ein meditierender Buddha?« Er antwortete: »Ja, aber über wessen Nabel ich meditiere, ist doch egal.«
    Vorne schäkerten also die beiden miteinander. Und hinten auf der Rückbank legte mir ihr Mann die Hand auf die Schulter. Nicht harmlos, sondern ein Zeichen gebend. Ich hätte mich in seinen Arm sinken lassen können, keiner hätte es gemerkt. Aber ich wäre mir schäbig vorgekommen. Das Idealbild der Ehe hatte für mich eine große Bedeutung. Es sollte noch lange dauern, bis es langsam, aber sicher zu verblassen begann. Im Übrigen lebte ich ja noch mit Benno zusammen, wenn auch unglücklich.
    Cornelius Cardew berichtete mir später, Stockhausen sei unsterblich in die Frau eines Freundes verliebt und wäre Doris durchaus nicht treu. (Wer jene Frau war, sollte ich erst viel später erfahren.) Diese Nachricht hat vermutlich meinen Widerstand geschwächt, zumindest hat sie mich unterbewusst darauf vorbereitet, seinem Werben nachzugeben.
    In den folgenden Wochen dieses Jahres 1959 wurde mir klar, dass die Beziehung zu Benno keine Zukunft mehr hatte. Ich wollte das kleine Zweizimmeratelier in der Salzgasse verlassen. Künstlerisch würden wir noch verbunden bleiben. Ich machte mich auf die Suche nach einem eigenen Atelier und fand auch bald eines: in einem nach altem Plan wiederaufgebauten Giebelhaus in der Lintgasse 28, mit wunderbarem Blick über den Rhein. Der Erbauer und Besitzer war der namhafte Architekt Peter Neufert, dem ich schon einige Pastellbilder verkauft hatte. Er akzeptierte mich als Mieterin und nahm statt der ersten sechs Monatsmieten und der Kaution eines meiner Reliefbilder an.
    Unter dem hohen Giebel befand sich ein großer Arbeitsraum, teilweise zweigeschossig, der sich geradezu anbot für Veranstaltungen mit achtzig bis hundert Besuchern. Gemeinsam mit Cardew und Benno entwickelte ich den Plan, in diesem Atelier zeitgenössische Kunst und neueste Musik zu präsentieren, und zwar in multimedialen Veranstaltungen, die den Diskurs zwischen den Künsten vorantreiben sollten.
    Das Atelier wurde schnell zum Treffpunkt eines festen Künstlerkreises. Cornelius Cardew war unser Hauptprogrammgestalter, er stellte den Kontakt zu den Musikern her. Ich schaffte das Geld herbei, indem ich Bilder verkaufte. Benno war für Fotografie und »Absurdes« zuständig. Er bezeichnete sich selbst mittlerweile als Kunstverweigerer, denn er zerstörte alle Arbeiten, die er mit viel Fleiß hergestellt hatte, beim nächsten Wutanfall wieder. Seine Haltung, das Ergebnis von schöpferischem Tun nach Fertigstellung des Werks wieder auszulöschen, brachte Spannung in den Diskurs über Kunst, zumal ich geheim hielt, dass bei ihm nicht eine bewusste Entscheidung, sondern unbeherrschte Ausbrüche zu der Vernichtung führten.
    Wir baten unsere Freunde um Ausstellungswerke. Ich holte hauptsächlich die konkreten Künstler aus Ulm ins Atelier und die der Zero-Gruppe aus Düsseldorf, die von Otto Piene und Heinz
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