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Ich habe mich verträumt

Ich habe mich verträumt

Titel: Ich habe mich verträumt
Autoren: Kristan Higgins
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wieder Frühling, schon wieder eine deiner Hochzeiten!“
    „Du Ärmste.“ Mitfühlend, aber nicht minder selbstgefällig drückte sie meinen Arm, musterte meinen Pony (oh ja, der war in den letzten fünfzehn Jahren deutlich nachgewachsen!) und kehrte zu ihrem Bräutigam und den drei Kindern aus erster und zweiter Ehe zurück.
    Dreiunddreißig Minuten später entschied ich, dass ich lange genug tapfer gewesen war. Kittys Feier war in vollem Gange,und obwohl die Musik sehr ansprechend war und es mich in den Füßen juckte, der Menge zu zeigen, wie eine Rumba auszusehen hatte, wollte ich doch lieber nach Hause. Falls ein alleinstehender, gut aussehender, finanziell abgesicherter Mann anwesend war, so hielt er sich unter einem Tisch versteckt. Noch ein kurzer Stopp im Waschraum und ich wäre weg.
    Ich schob die Tür auf, warf einen schnellen, entsetzten Blick in den Spiegel – ich hatte nicht gewusst, dass mein Haar sich dermaßen stark kräuseln konnte, es stand fast waagrecht vom Kopf ab –, und wollte gerade in eine der Kabinen gehen, als ich ein Geräusch hörte. Ein trauriges Geräusch. Ich spähte unter der Kabinentür hindurch. Hübsche Schuhe: hochhackige Sandaletten aus blauem Wildleder.
    „Ähem … ist alles in Ordnung?“, fragte ich laut und runzelte die Stirn. Diese Schuhe hatte ich irgendwo schon einmal gesehen.
    „Grace?“, ertönte eine schwache Stimme. Kein Wunder, dass mir die Schuhe bekannt vorkamen. Meine jüngere Schwester und ich hatten sie letzten Winter zusammen gekauft.
    „Natalie? Schätzchen, bist du okay?“
    Ich hörte Stoff rascheln, dann stieß meine Schwester die Tür auf. Sie versuchte zu lächeln, doch ihre klaren blauen Augen waren nass vor Tränen. Mir fiel auf, dass ihre Wimperntusche nicht verschmierte. Natalie sah tragisch und gleichzeitig umwerfend aus, wie Ilsa, als sie Rick am Flughafen von Casablanca Lebewohl sagt.
    „Was ist los, Nat?“, wollte ich wissen.
    „Ach, es ist nichts …“ Ihre Lippen zitterten. „Alles in Ordnung.“
    Ich zögerte. „Ist etwas mit Andrew?“
    Ihre Fassade bröckelte. „Hm … na ja … Ich glaube nicht, dass es zwischen uns funktioniert.“ Ihre Stimme brach und verriet ihre Verzweiflung. Sie biss sich auf die Lippe und blickte zu Boden.
    „Warum?“ In meinem Herzen rangen Besorgnis und Erleichterung. Gut, es würde mich nicht umbringen, wenn es mit Natund Andrew nicht klappte, aber es lag eigentlich nicht in Natalies Natur, melodramatisch zu sein. Tatsächlich war es zwölf Jahre her, seit ich sie das letzte Mal weinen gesehen hatte – das war, als ich aufs College ging.
    „Ach … es ist einfach keine gute Idee“, flüsterte sie. „Aber das ist schon in Ordnung.“
    „Was ist passiert?“, fragte ich nach. Spontan bekam ich das Bedürfnis, Andrew zu schütteln. „Was hat er getan?“
    „Nichts“, versicherte sie hastig. „Es ist nur, dass … äh …“
    „Was?“, fragte ich wieder, diesmal mit mehr Nachdruck. Sie sah mich nicht an. Ach, verdammt! „Ist es wegen mir, Nat?“
    Sie schwieg.
    Ich seufzte. „Nattie, bitte, antworte mir.“
    Nun sah sie mich kurz an, dann wieder zu Boden. „Du bist noch nicht über ihn hinweg, oder?“, flüsterte sie. „Obwohl du gesagt hast, du seist es … Vorhin, als der Brautstrauß geworfen wurde, habe ich dein Gesicht gesehen, und … ach, Grace, es tut mir ja so leid. Ich hätte nie versuchen sollen …“
    „Natalie“, unterbrach ich sie, „ich bin über ihn hinweg. Ganz bestimmt. Das verspreche ich.“
    Daraufhin sah sie mich so schuldbewusst und kläglich an, dass mir die nächsten Worte einfach so aus dem Mund sprudelten, ohne dass ich weiter darüber nachdachte. „Die Wahrheit ist, Nat, dass ich einen neuen Freund habe.“
    Ups. Ich hatte das nicht wirklich sagen wollen, aber es wirkte wie ein Zauber. Natalie sah zu mir hoch, blinzelte, und während zwei weitere Tränen über ihre geröteten Wangen liefen, schimmerte Hoffnung in ihrem Blick auf. „Wirklich?“
    „Ja“, log ich und kramte ein Taschentuch hervor, um ihr die Tränen abzutupfen. „Schon seit ein paar Wochen.“
    Schlagartig sah Natalie fröhlicher aus. „Warum hast du ihn heute nicht mitgebracht?“, wollte sie wissen.
    „Ach, du weißt schon. Hochzeiten. Alle sind immer gleich so aufgeregt, wenn man da jemanden mitbringt.“
    „Aber du hast mir gar nichts erzählt.“ Sie runzelte leicht die Stirn.
    „Na ja, ich wollte nichts sagen, bevor ich nicht sicher bin, dass es spruchreif ist.“ Ich
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