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Ich habe abgeschworen

Ich habe abgeschworen

Titel: Ich habe abgeschworen
Autoren: Mina Ahadi , Sina Vogt
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Kirche, die ja ebenfalls Ehebruch verteufelt, ebenso wie Homosexualität. Aber im Fall des politischen Islam kommt ein entscheidender Faktor hinzu: die Ehre. Diese Ehre hat jeder Muslim qua Geburt durch die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der einzig wahren Gläubigen. Diese Ehre muss er und insbesondere sie aber immer wieder neu unter Beweis stellen, durch ehrenhaftes Verhalten: Ein Einhalten der Regeln ist ehrenhaft, ein Abweichen führt zu Ehrverlust. Fatalerweise überträgt sich dieser Ehrverlust auf das Kollektiv, meist die Familie. Die Reinheit ihrer Frauen ist die Ehre der Männer. Diese, deren Sexualität und Körper per Definition eine teuflische Versuchung sind, haben die Lebensaufgabe, ihren Körper unter Kontrolle und Verschluss zu halten – und ihn auf der anderen Seite ihrem Ehegatten jederzeit nach dessen Willen bedingungslos hinzugeben. Verstößt eine Frau gegen dieses grausame Lebenskorsett, beschmutzt sie nicht nur ihren Körper, sondern die Ehre der gesamten Familie, vor allem der Männer. Da erscheint es nur logisch, dass ihr Werkzeug der Ehr-Beschmutzung, ihr Körper, gemartert, zerstört und getötet werden muss, um sie und vor allem ihre Familie wieder reinzuwaschen.
    Die Hinrichtungs»welle« im Iran im Jahr 2007 zeigt, dass die Kuscheldiplomatie des Westens rein gar nichts gebracht hat. Bis Mitte August waren 2007 schon 150 Hinrichtungen vollzogen worden.
    Am 5. Juli 2007 wurde Ja’far Kiani gesteinigt. Er hat zwei Kinder mit der 43-jährigen Mokarrameh Ebrahimi, die ebenfalls wegen Ehebruchs zum Tode durch Steinigung verurteilt ist. Beide wurden verurteilt, nachdem man sie vor der Abteilung 1 des Strafgerichts von Takestan des Ehebruchs für schuldig befunden hatte. »Erkenntnisse« des Richters führten zum Schuldspruch.
    Der ursprüngliche Hinrichtungstermin für Mokarrameh Ebrahimi und Ja’far Kiani war der 17. Juni 2007 gewesen, nachdem ihr Antrag auf Aufhebung des Todesurteils von der iranischen Amnestie- und Begnadigungskommission abgelehnt worden war. Später wurde das Hinrichtungsdatum auf den 21. Juni 2007 festgesetzt. Die Steinigungen sollten auf dem Friedhof Behesht-e Zahra der Stadt Takestan in der Provinz Qazvin im Nordwesten des Landes in Anwesenheit eines Richters der Abteilung 1 des Strafgerichts stattfinden, welches die Todesurteile verhängt hatte. Das Komitee gegen Steinigungen protestierte wie viele Menschenrechtsgruppen rund um den Erdball.
    Die iranische Anwältin Shadi Sadr arbeitet mit Verbündeten und Unerschrockenen vor Ort gegen Steinigungen. Sie waren es, die die Nachricht von der Steinigung in die Welt, auch zu mir, schickten. Der öffentliche Druck führte offenbar dazu, dass am 20. Juni 2007 gemeldet wurde, die oberste Justizautorität des Landes, Ayatollah Shahroudi, habe die Justizbehörden von Takestan schriftlich aufgefordert, die Steinigungen vorübergehend auszusetzen. Die gegen Mokarrameh Ebrahimi und Ja’far Kiani verhängten Todesurteile blieben jedoch bestehen. Er wurde dann kurz darauf doch gesteinigt. An seiner Steinigung Anfang Juli in einem Dorf außerhalb von Takestan waren vornehmlich Vertreter der Lokalregierung und der Justizbehörden, aber auch einige Bewohner des Ortes beteiligt.
    Mokarrameh Ebrahimi befindet sich nun seit elf Jahren im Gefängnis Choubin in der Provinz Qazvin. Ihre beiden Kinder, von denen eines elf Jahre alt sein soll, leben bei ihr in der Haftanstalt. Die beiden Verurteilten haben lange im Gefängnis überlebt.
    Hinrichtungen gehen im Iran meist in Wellen über das Land, doch hören sie nie ganz auf. Ende 2002 waren westliche Politiker nur zu gern auf die Berichte über ein Steinigungsmoratorium hereingefallen. Es passte in ihr Credo vom »Erfolg der leisen Diplomatie«. Doch wurden die Hinrichtungen nur aus dem Licht der Öffentlichkeit genommen, und selbst daran hält sich die aktuelle Macht nicht mehr.
    Im Mai 2006 erhielt Amnesty International dann Kenntnis über die Vollstreckung zweier Todesurteile durch Steinigung. Ein Mann namens Abbas und eine Frau namens Mahboubeh sollen auf dem Friedhof von Mashhad zu Tode gesteinigt worden sein, nachdem man sie des Ehebruchs und der Ermordung von Mahboubehs Ehemann für schuldig befunden hatte. Seitdem gibt es wieder Berichte über Steinigungen.
    Die Hinrichtungswelle im Iran, vor allem werden Todesurteile durch den Strang vollstreckt, wird in der Welt mit Hilflosigkeit aufgenommen. Sie entlarvt den angeblichen Erfolg der »leisen Diplomatie« als Lüge – Unrecht nicht
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