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Ich gegen Osborne

Ich gegen Osborne

Titel: Ich gegen Osborne
Autoren: Joey Goebel
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Gretzky hat am Sonntag sein letztes Spiel bestritten«, verkündete eine Stimme aus dem Fernseher, die Lichtjahre entfernt klang. »Der einzigartige Spieler verabschiedete sich von…«
    Während alle hochsahen, wischte ich mir den Schweiß von der Stirn. Ich würde das durchstehen.
    »Wie viele Typen?«, fragte ich mit unnatürlich fester Stimme.
    »Weiß nicht genau. Drei oder vier vielleicht.«
    Es war also nicht nur mir aufgefallen. Anscheinend war Chloe eine Art Eliza Doolittle, ein Mauerblümchen, das spät aufblüht und aus sich herausgeht. Und was wusste ich denn, vielleicht ging das schon eine ganze Weile so.
    All das fühlte sich so unwirklich an, doch ich wusste, wie wirklich es war: Alle machten alles, als wäre es gar nichts. Es waren rasante Zeiten; die Leute machten solche Sachen tatsächlich. Weshalb sollte Chloe anders sein?
    »Mit wem hat sie es getrieben?«
    »Mit niemandem von der Osborne. Mit ’n paar Typen aus Tennessee, glaub ich.«
    »Also mit Wild fremden ?«
    »Ja, aber so ist P.C.B. halt. Hey, in P.C.B. ist halt einfach alles erlaubt.«
    Ich stellte es mir vor, und es war grauenhaft: Chloes Schenkel und diese Typen, ihr verkrampftes Gesicht und [40]  diese Typen, deren Hemdschöße und sie, deren abstoßende Arschbacken und sie. Mir wurde bewusst, dass meine Atmung ganz flach geworden war. Ich hechelte nur noch. » Gesehen hast du wohl nichts, oder? Hast du denn Beweise, dass sie das wirklich gemacht hat?«
    »Ich sag’s mal so, es wurde darüber geredet. Ich war zu der Zeit draußen auf dem Parkplatz, weil ich und meine Jungs in eine wüste Schlägerei mit ein paar Idioten aus Alabama verwickelt waren. Das war voll geil. Doch als ich danach in die Wohnung kam, haben die Leute über Chloe geredet. Es war irre. Ich hab sie immer für die Unschuld vom Lande gehalten. Sie hat echt die Sau rausgelassen.«
    »Hört sich ganz so an.«
    »Wir sagten: Meine Güte, Chloe!« Dann sagte er plötzlich besorgt: »Ey, Alter. «
    Er blickte auf meine Hände. Ohne es zu merken, hatte ich mir in den letzten fünf Minuten so viel Haut vom Daumen gepult, dass er ganz blutig und lädiert war. Wenigstens konnte ich ihn noch bewegen.
    8 . 16   Nachdem ich mein Taschentuch fest um den Daumen gewickelt hatte, fragte Tyler: »Du bist ihr also immer noch zugetan ?«
    »Ich weiß nicht. Jedenfalls sehe ich sie jetzt mit ganz anderen Augen. Aber bitte, Tyler, erzähl keinem von meinem Interesse an Chloe.«
    »Okay.«
    Kurz vor der Pause schlenderte Dre herein, was Tyler bewog, sich von mir abzuwenden. »Was geht ab, D-Dub?«, fragte er mit ebenso beiläufiger wie angespannter Stimme.
    [41]  »Was geht ab, Mann?«
    Ich stellte fest, dass ich von seinem besten Freund aus Kindertagen zum seltsam gekleideten Typ mutiert war, der zwar noch nicht ganz am unteren Ende des gesellschaftlichen Totempfahls angelangt war, sich aber auch nicht so weit oben befand, dass man sich vor anderen mit ihm befassen sollte. Oder kurz und knapp gesagt: Ich war nur noch der Freak im Anzug. Das Jackett war reine Schurwolle, graubraunes Fischgrätenmuster, »Ludlow-Schnitt« (wie meine Mutter wegen der schlanken Taille und der schmalen Revers sagte). Dazu trug ich eine graue lange Hose, ein weißes Hemd, schwarze Glattlederschuhe und, zur Feier des Tages, eine schräggestreifte grauschwarze Krawatte. Die anderen waren meine Kluft inzwischen gewöhnt und verdrehten höchstens noch manchmal die Augen.
    Tyler führte nun mit Dre ein einseitiges Gespräch über Autolautsprecher, zu dem ich unmöglich etwas beisteuern konnte, was mir Zeit ließ, über Chloes neue Karriere als Erotomanin nachzugrübeln. Dabei war ich genauso angewidert wie einige Wochen zuvor, als ich einen zusammengeknüllten Zettel mit einem blutverschmierten Pflaster drin vom Fußboden des Klassenzimmers aufgehoben hatte.
    Um nicht zu kotzen, schob ich alle Gedanken an Chloe beiseite und konzentrierte mich auf das Gatorade Play of the Week auf Channel One, die beeindruckende Zurschaustellung physischer Kompetenz durch für diesen Zweck besonders ausgebildete Männer irgendwo in Amerika.
    8 . 17   Wo genau in Amerika sich Osborne befindet, ist eher unwichtig, denn alle amerikanischen Highschools sind [42]  letztlich gleich. Spätestens seit 1999 säumen dieselben Neon-Logos sämtliche Straßen des Landes, und alle Teenager sehen dieselben Fernsehsendungen. Meine Highschool steht zufällig in Vandalia, Kentucky, einer mittelgroßen Stadt voller Baseballmützen tragender
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