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Ich bin unschuldig

Ich bin unschuldig

Titel: Ich bin unschuldig
Autoren: Sabine Durrant
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bin nervös. Natürlich musste er nur googeln – erst letzte Woche habe ich »Ein Tag im Leben von« in der Sunday Times gemacht –, aber es ist zermürbend, wenn Menschen, denen man noch nie begegnet ist, Sachen über einen wissen. Das habe ich auch dem Constable zu erklären versucht, mit dem ich im letzten Sommer gesprochen habe, als die ganzen seltsamen Stalker-Sachen anfingen. (Solange man keinen Stalker hat, ist man im Showgeschäft niemand.)
    »Craigie Aitchison«, sage ich und trete zu ihm. Das Bild zeigt einen Hund vor einem einfachen Hintergrund, knallblauer Himmel und wackelpetergrünes Gras. Es gibt einen Baum, ein sich verjüngender Strich wie die Spitze eines Pinsels. Trügerisch schlicht, natürlich: Der Hund hat etwas Isoliertes und Meditatives an sich. Ich glaube, man soll an Christus denken. »Es ist ein Bedlington Terrier«, sage ich.
    »Nicht irgendein Terrier, ein Bedlington Terrier. Und noch ein Olivenbaum. Das zieht sich hier offensichtlich als Thema durch.«
    »Ich glaube, es ist eine Zypresse. Wissen Sie, Tod und so. Mein Mann hat es vor Jahren erstanden, aber als Aitchison starb, sind die Preise in die Höhe geschossen. Ein kluger Kauf.«
    »Ein kluger Kauf«, wiederholt er, als hätte er noch nie im Leben so etwas Dämliches gehört.
    Ich würde gern einen spielerischen Ton anschlagen, aber wahrscheinlich klinge ich einfach nur kratzbürstig. »In der Tate hängen vier. Elton John hat einen.«
    Er zuckt leicht die Achseln. Er ist jünger, als ich ihn geschätzt habe. Ich hatte gedacht, er wäre über fünfzig, aber er ist ungefähr in meinem Alter, glaube ich – Anfang vierzig. Sein Gehabe, die vorgebeugte Haltung, soll vielleicht seine Körpergröße verbergen. Seine herabhängenden Wangen, die er noch betont, indem er seitlich am Mund zieht, wie um Krümel zu entfernen, machen ihn älter. Kein Grau in dem braunen Haar – Philips Schläfen sind grau meliert. Unter seinen männlichen Wangenknochen sind Vertiefungen, ein lang gestreckter Unterkieferknochen: ein bisschen mehr Gewicht, und er wäre beinahe attraktiv. Mit seinem langen Haar und seiner Knochenstruktur kommt er rüber wie ein missratener Dandy.
    Genug, denke ich und sage: »Also, Tee. Stark mit viel Milch und Zucker? Oder stehen Sie mehr auf grünen?« Ich könnte mich erschießen.
    »Wie’s kommt«, meint er.
    Er hat sich endlich an den Tisch gesetzt, hat seine Barbourjacke abgelegt und ordentlich über die Stuhllehne gehängt und schaut raus in den frisch angelegten Garten hinterm Haus – unseren hübschen grünen Rasen, die Hochbeete, das Trampolin, das tolle »Baumhaus«, das auf Stützen an der Mauer verläuft, hinter der Reihe von Hainbuchen. Philip fand, wir sollten den Garten machen lassen, nachdem wir im Kellergeschoss größere Fenster einbauen und dafür einen Teil des Gartens tiefer legen ließen. Durch den Bodenaushub war er völlig ruiniert.
    Etwas da draußen in den Sträuchern, was im Märzwind flattert, scheint sein Interesse zu beanspruchen. Vielleicht ist das so, wenn man Polizist ist: Der Blick heftet sich auf kleine Details; man weiß nie, was wichtig ist und was nicht.
    »Haben Sie ihren Körper angefasst?«
    Beinahe lasse ich seine Teetasse fallen. Ich trage sie zum Tisch, und ein wenig Tee schwappt mir auf das zarte Dreieck zwischen Daumen und Zeigefinger.
    »Autsch.«
    Ich halte die Hand unter den Wasserhahn und sehe zu, wie das Wasser über meine Haut rinnt. Für einen Augenblick konzentriert sich mein Gehirn ganz darauf, das Wasser und meine Haut. Und dann ist alles, woran ich denken kann, das Haar der Frau, seine strähnige, faserige Struktur.
    »Ihren Körper«, sage ich. »Nein. Ich habe ihren Körper nicht angefasst.«
    Als ich mich umdrehe, sieht er mich an.
    »Haben Sie die Frau gekannt?«
    »Nein.« Ich atme tief durch und schüttele die Hand trocken. Der Augenblick ist vorüber. »Wie ich PC Morrow schon gesagt habe, habe ich sie noch nie gesehen. Wissen Sie schon, wer sie ist?«
    »Nein, noch nicht.«
    Ich setze mich ihm gegenüber auf die Bank, die auf der einen Seite vom Tisch steht, mit dem Rücken zum Garten. Genug Small Talk, er ist jetzt zur Vernehmung übergegangen. Er bittet mich, noch einmal durchzugehen, was passiert ist. Er macht sich keine Notizen. Es ist offensichtlich nur ein inoffizielles Gespräch, aber während ich rede, sind meine Gesten gehemmt, wie zur Schau gestellt. Gespräche folgen einem bestimmten Muster: Wer zuhört, soll den, der spricht, ansehen; wer redet,
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